Fahrplan nach Tarockanien

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Ultimatum an Serbien! Tarock gespielt und viel verloren", so lautet die Tagebucheintragung Leo Perutz' vom 24. Juli 1918, der sich damit als passionierter Tarockspieler ausweist. Er war kein Einzelfall, so meinte Anton Kuh über den tarockbesessenen Alfred Polgar: "Herrgott, was könnte aus dem Mann werden, wenn er hier nicht stundenlang tarockspielend säße!" Auch Mozart, Nestroy, Johann Strauß und Sigmund Freud, Brahms, Lehár und Kálman teilten diese Leidenschaft und spätestens mit Herzmanovsky-Orlando kam das "Reich der Tarocke" (später "Tarockanien" genannt) auch zu literarischen Ehren.

Diese und viele andere köstliche Hinweise und Anekdoten finden sich im neuen Band der Perlen-Reihe "Das große Tarock-Buch", der umfassend über dieses königliche Spiel unter den Kartenspielen Österreichs informiert. Die Autoren haben eine interessante Geschichte des Tarockspiels geschrieben, von den Anfängen im Italien des 15. Jahrhunderts über Frankreich bis zum Einzug in den deutschen Sprachraum ab der Mitte des 17. Jahrhunderts. Dabei bildeten sich zahllose Spielvarianten heraus, von denen viele liebevoll beschrieben werden. Neben den regionalen Varianten Österreichs finden sich slowenische, tschechische und ungarische. Ein detailliertes Regelwerk ist Kernstück des Buches und wird es zur "Bibel der österreichischen Tarockgemeinde" werden lassen. Der umfangreiche literarisch-anekdotische dritte Teil ist auch für Nicht-Tarockspieler interessant. Hier erfährt man, dass sich Karl Renner das tagelange Warten in St. Germain mit Tarockpartien verkürzt hat. Als Julius Raab 1959 mit Pittermann schwierige Koalitionsverhandlungen führte, wurden diese von Ironimus hintersinnig als Tarockpartie gezeichnet. Josef Klaus und Bruno Kreisky hielten wenig vom Kartenspielen, dafür frönte Vranitzky dieser Leidenschaft. Auch Wolfgang Schüssel ist einer Partie nicht abgeneigt, nicht nur mit Ministerkollegen, auch im privaten Kreis.

Das reich bebilderte Lese- und Nachschlagewerk zeigt die enge Verknüpfung des Spiels mit der kulturellen Identität unseres Landes.

DAS GROSSE TAROCK-BUCH

Von Wolfgang Mayr und

Robert Sedlaczek.

Perlen Reihe, Wien 2001

312 Seiten, geb., öS 399,-/e 29.-

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