Wie Sprossen einer Leiter in die Hölle

19451960198020002020

Einst des Teufel, alsbald jedoch auf dem Siegeszug: das Tarockspiel gehört zum guten Ton in Politik und Gesellschaft. Eine Kulturgeschichte des beliebten Kartenspiels gibt Aufschluss über die Entstehung und sorgt mit Anekdoten für eine vergnügliche Lektüre.

19451960198020002020

Einst des Teufel, alsbald jedoch auf dem Siegeszug: das Tarockspiel gehört zum guten Ton in Politik und Gesellschaft. Eine Kulturgeschichte des beliebten Kartenspiels gibt Aufschluss über die Entstehung und sorgt mit Anekdoten für eine vergnügliche Lektüre.

Werbung
Werbung
Werbung

Vor gar nicht so langer Zeit gehörte es in so manchem Priesterseminar Österreichs zum guten Ton, dass Alumnen auch Tarock spielen lernten, um Weihehindernisse aus dem Weg zu räumen und im priesterlichen Leben auch am Kartentisch Mann Gottes sein zu können. Es war ein langer Weg bis dorthin, denn das Tarockspiel (wohl um 1440 in Italien entstanden) galt - wie einer am Ende des 15. Jahrhunderts gedruckten Bannpredigt eines umbrischen Franziskanermönchs zu entnehmen ist - als des Teufels. "Nichts ist für Gott in der Welt so hassenswert wie die trionfi des Tarockspiels

Die 21 Trionfi sind die 21 Sprossen einer Leiter, die den Menschen in die Tiefe der Hölle führen."

Von Land zu Land unterschiedlich

Wolfgang Mayr und Robert Sedlaczek gehen in ihrer Kulturgeschichte des Tarockspiels genau vor. Die Ausbreitung des Tarocks über das ursprüngliche Spielzentrum Norditalien (Ferrara, Bologna, Florenz, Mailand) nach Frankreich, später über die Schweiz in die Habsburger Monarchie wird ebenso nachgezeichnet, wie die Vervielfältigung der Spielarten (heute kennt man etwa 20 Grundformen von Tarock) und Spielvariationen - weil bestimmte Karten mit zusätzlichen Werten versehen werden, neue Kombinationen dazukommen. Mit jedem Ausbreitungsgebiet kommen neue Spielvarianten dazu. Im 19. Jahrhundert wird die Extrakarte "Narr" zum "Gstieß" und zum höchsten Tarock; die Tarockkarte XXI, ursprünglich "Welt" genannt, bekommt den heute üblichen Namen "Mond"(franz. "le Monde"). Gespielt wurde und wird -je nach Landstrich - mit Kartenpaketen zwischen 40 bzw. 42 (Budapest) und 78 (Italien) Karten. Aber immer mit 22 Tarock. Den Österreichern war die Variante mit 54 Karten am haltbarsten. Zwei, drei, meistens aber vier Personen spielen miteinander.

Über lange Zeit wurden Tarockkarten von Hand gefertigt. Später, mit den fortschreitenden Druckverfahren, werden die Karten für viele Menschen erst erschwinglich. 1754 ist dann das erste deutschsprachige Tarockregelheft "Regeln bey dem Taroc-Spiele" in Leipzig erschienen.

Die Popularität des Tarocks führte dazu, dass Kaiserin Maria Theresia für Böhmen und die österreichischen und böhmischen Erbländer eine Steuer von 7 Kreuzer pro Tarockpaket einheben ließ. Der Erzbischof von Salzburg war teurer: 30 Kreuzer waren für ein Packerl Tarockkarten zu zahlen.

Und dann gibt es eine große Zahl populärer Spieler. Spielerische, Verbissene, Exzellente, Leidenschaftliche: Mozart, Nestroy, Radetzky (der angeblich sein halbes Vermögen verspielte) - wie überhaupt in der k. u. k Armee Tarockieren querfeldein beliebt war. Johann Strauß -ihm war das Tarockieren angeblich lieber als das Komponieren. Kaiser Franz Joseph war zwar auf vielen Tarockkarten abgebildet, er blieb allerdings der Jagd treu. Marie Ebner von Eschenbach - sie steht für viele Frauen der gehobeneren Schicht, die gerne tarockierten. Genauso wie Siegmund Freud, der legendäre Dr. Sperber (bekannt aus der Tante Jolesch), aber auch Peter Handke, der in seinem Buch "Der Chinese des Schmerzes" tarockverewigend schreibt. Handke spielte in Salzburg in einer Runde, an der auch der kunst-und geschichtssinnige Salzburger Prälat Johannes Neuhardt teilhatte.

Natürlich streifen die begnadeten Tarockierer Mayr &Sedlaczek in ihrer präzisen und tiefsinnigen, aber immer das Akribische durch das Heitere entschärfenden Recherche auch das Milieu der Caféhäuser. Jonas Abeles Café in Wien wurde einst sogar zum Synonym einer schwindelsicheren Variante des Gebens.

Politiker, Journalisten, Bischöfe

Dass Politiker tarockieren, weiß man aus den Seitenblicken des ORF. Aber die genaue Auflistung gibt es in diesem Buch. Der erste Staatskanzler der Republik, Karl Renner, tarockierte ebenso (1919 in St. Germain mehr als er eigentlich wollte) wie praktisch alle Kanzler, hohen Politiker und Journalisten der Zweiten Republik. Auch die tarockierenden katholischen Bischöfe Krautwaschl und Scheuer, wie auch der evangelische Landesbischof Michael Bünker sind dem Radar der beiden Autoren nicht entgangen.

Abgerundet wird das für Tarockinteressierte äußerst lesenswerte Buch mit einem sprachlichen Rundblick zu den unzähligen Tarockbegriffen und Sonderbeispielen aus dem "tarockanischen " Leben - vom polnischen Königrufen bis zum Brixentaler Bauerntarock (originellerweise mit doppeldeutschen Karten).

Nach dem Lesen bleibt: auf zum nächsten Tarockspiel, bei dem man nicht nur mit guten Karten sondern auch mit enormem Wissenszuwachs brillieren kann.

Die Kulturgeschichte des Tarockspiels

Von Wolfgang Mayr und Robert Sedlaczek.

edition atelier 2015

356 S., geb., € 29,95

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung