Fakten hinter den Fiktionen

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Das Österreichische Literaturarchiv feierte seinen 10. Geburtstag.

Zehn Jahre sind angesichts der jahrhundertelangen Geschichte der Österreichischen Nationalbibliothek nicht viel und doch Grund genug zum Feiern: Das Österreichische Literaturarchiv (ÖLA) in der Michaelerkuppel hat sich als eine der wichtigsten einschlägigen Forschungsstellen im deutschsprachigen Raum etabliert und zugleich auch als Ort für Ausstellungen, Lesungen und Symposien einen Namen gemacht.

Dabei hatte sich die Gründung lange verzögert: 1989 gab es einen ministeriellen Erlass sowie einen Namen, aber weder Räumlichkeiten noch Personal - eine "österreichische Lösung", wie der Leiter des Archivs, der Germanist Wendelin Schmidt-Dengler, beim Festakt im Aurum der Nationalbibliothek ironisch bemerkte. Seiner Hartnäckigkeit ist zu verdanken, dass 1996, im Rückenwind der wissenschaftspolitischen Gründerjahre, aus dem virtuellen Archiv ein reales wurde, das heute von der Forschung, auch der studentischen, zum Quellenstudium genützt werden kann.

Neben den Nachlässen berühmter Autoren - Ödön von Horváth, Albert Drach, Manès Sperber, Erich Fried, Hilde Spiel, Ernst Jandl - betreut das Literaturarchiv auch viele weniger prominente Hinterlassenschaften. Die Reihe "Profile" (Zsolnay) schöpft aus dem vollen der Bestände, neue Werkausgaben (Horváth, Drach) entstehen, jetzt erschien der informative Band "Österreichisches Literaturarchiv. Die ersten 10 Jahre" (Praesens) samt einer CD mit Dichter-Stimmen aus dem Archiv.

Entsprechend der Konzentration auf die Literatur nach 1945, werden weiterhin Nachlässe - und "Vorlässe", Nachlässe zu Lebzeiten, erworben, auch eine Art Altersversorgung für so manchen Schriftsteller. Nicht alles konnte man sich leisten - der Nachlass von Gerhard Fritsch ging an die Konkurrenz im Wiener Rathaus. Im Gegensatz zur klassischen Handschriftensammlung ist man im ÖLA auch an Gedrucktem, an digitalen Datenträgern und an Lebenszeugnissen interessiert, von den Jazzplatten Ernst Jandls bis zum Schlafrock Heimito von Doderers.

Nicht zuletzt diese dingliche Anschaulichkeit unterstützt Schmidt-Denglers Anliegen zu zeigen, dass die Literatur, selbst im vermeintlich verstaubten Archiv, "ihren Sitz im Leben hat". Mag dies den Schreibenden auch unheimlich sein: In ihrer Festrede bekannte sich die Schriftstellerin und Anglistin Antonia S. Byatt ("Besessen") zur Lust der Archivrecherche und zur Angst davor, als Autorin selbst Gegenstand biografischer Spurensuche zu werden: In der schönen Literatur siege die Fiktion stets über die Faktizität.

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