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Anti-Papstes

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Obwohl Wissenschaftsminister Erhard Busek bereits Ende April die langerwartete Entscheidung für Schmidt-Dengler als Leiter des Literaturarchivs bekanntgab, liegt, wie dieser im Gespräch mit der furche sagte, „bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein konkretes Angebot des Ministeriums vor”. Er selbst hatte bislang auch keine Möglichkeit, seine Vorstellungen konkret dem Ministerium zu unterbreiten. Darauf angesprochen, welche Aufgabe denn das Literaturarchiv eigentlich hätte, die nicht durch Institutionen wie die Handschriftensammlung der Nationalbibliothek, die Wiener Stadt- und Landesbibliothek oder die Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur im Literaturhaus zu bewerkstelh-jen wäre, meinte Schmidt-Denger, „das Literaturarchiv hätte, etwas großkotzig formuliert, das österreichische literarische Erbe in großen Zügen zu verwalten”. Wobei er sich gar nicht sicher ist, ob er der geeignete Mensch ist, ein Archiv zu leiten.

Warum er aber sein literatur-wissenschaftliches Gewicht in die Waagschale geworfen hat, ist, daß in bezug auf die Betreuung von Nachlässen eine qualitative Veränderung in den nächsten zwei Jahren einsetzen muß, weil sonst wertvolles Material für Österreich verlorengeht. Es stehen nämlich, so Schmidt-Dengler, „eine Reihe von Vor- und Nachlässen ins Haus. Worum es geht, ist auch eine ,Nachlaßprophylaxe', und das ist nur mit einem erhöhten Personalaufwand zu bewältigen”. Da der mitunter „unakademisch” formulierende Professor bei der heimischen Autorenschaft mehr Reputation besitzt als bei manchen Kollegen, hofft er, frei nach Robert Musil, auf „Nachlässe zu Lebzeiten”.

Eine Koordinationsstelle

Weiters müßte man die Ausgabenarbeit systematisieren und die Prioritäten der Nachlässe feststellen, also wo welche Projekte erarbeitet und welche bevorzugt gefördert werden sollten. Hier könnte das Wiener Archiv für die existierenden regionalen Literaturarchive in Graz, Salzburg, Linz, Innsbruck, neuerdings auch in Klagenfurt Koordinationsarbeit übernehmen und eine Stelle werden, an der man komplex die Informationen auch für die anderen Archive abfragen kann, und erfährt, in welches man gehen soll.

Schmidt-Dengler sieht die Notwendigkeit, eine Perspektive der Nachlaßbetreuung in Österreich für die nächsten 20 Jahre zu entwerfen. Seine Überlegung, daß es zur Zeit etwa 2.000 Schriftstellerinnen und Schriftsteller in Österreich gibt, und damit zu rechnen ist, daß diese etwa 5.000 Blatt schreiben, dann ergibt das in zirka 20 Jahren 10 Millionen Blatt. Er denkt, daß das Archiv für die historische Dimension der österreichischen Germanistik eine gewisse Funktion bekommen könnte.

Die Archivarbeiten sollten in einer jährlichen Publikation, durch Ausstellungen, vielleicht auch durch eine jährliche Tagung der Öffentlichkeit bekannt und zugänglich gemacht werden. Schmidt-Dengler erinnert in diesem Zusammenhang, daß es zur Zeit zum Beispiel keine vollständige Raimund- oder Grillparzer-Edition am Markt gibt. Das alles kostet natürlich Geld, ist sich der Archivar in spe bewußt, und fügt hinzu, „ich bin sehr gespannt, zu welcher Lösung sich das Ministerium bereit findet”. Vor allem, was das Ankaufsbudget betrifft, wird man sich die Vergleichszahlen aus der Schweiz und Deutschland anschauen müssen.

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