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"Am Strand der Welt" des britischen Dramatikers Simon Stephens als Sternstunde im Wiener Volkstheater.

Im Hause Holmes ist Feuer am Dach. Das bleibt vorerst hinter der Geschäftigkeit des Alltagslebens unbemerkt. Alice (Therese Affolter) und Peter Holmes (Alexander Strobele) decken die Fadesse ihrer Ehe mit Routinetätigkeiten zu, ihre Söhne Alex (Raphael von Bargen) sowie Christopher (Martin Vischer) kiffen, um sich die Zeit zu vertreiben, und die Großeltern Ellen (Silvia Fenz) und Charlie (Gerd Rigauer) verhandeln ihre Ehe als Gefängnis. Wäre da nicht Alex' unkonventionelle Freundin Sarah (Katharina Straßer), man hätte das Gefühl, dass sich in Stockport schlicht gar nichts tut.

In der englischen Provinz

Der britische Dramatiker Simon Stephens, dessen Stück Motortown bei den letztjährigen Festwochen als beste Produktion gefeiert wurde, hat Am Strand der weiten Welt wieder in einer nordenglischen Kleinstadt angesiedelt. Stockport, nahe Manchester, hat nicht viel zu bieten. An einem Sonntagnachmittag, jener toten Zeit der Woche, in der keine aufgezwungene Arbeit die Stunden füllt, kommt Christopher bei einem Unfall ums Leben. Die Katastrophe sprengt die Familie. Vorläufig.

Das Spiel als Theaterprobe

Für das Volkstheater hat der englische Regisseur Ramin Gray die Österreichische Erstaufführung inszeniert. Wie schon in Motortown etabliert er eine Art Probensituation. Die eigentliche Spielfläche des beinahe leeren Raums ist klar eingegrenzt. Außerhalb dieser sitzen die Schauspiel-Kollegen und beobachten die einzelnen Szenen, die durch Lichtsignale (Jo Schramm) eingeleitet werden. Im antiillusionistischen Gestus der Dialogführung wird Stephens' Familienwelt zum Paradigma erklärt. Sie ist nicht nur in Stockport oder auf der Bühne des Volkstheaters, sondern überall zu finden. Wirkliche Kommunikation passiert nur mit Außenstehenden. Der Einzug eines Vorhangs markiert diese Welt "außerhalb". Als sich Alice noch dazu in den Unfallverursacher John (Paul Mati´c) verliebt, macht eine pyrotechnische Einlage sichtbar, was die Holmes lange nicht sehen: es brennt lichterloh.

Stephens hat sein Stück nach einer Gedichtpassage des Lyrikers John Keats (1795-1821) benannt. Am Strand der weiten Welt endet aber gegen alle Vorzeichen optimistisch. Der Brand wird rechtzeitig gelöscht.

Gray führt das Ensemble zu einer homogenen Leistung. Therese Affolter, langjährige Peymann-Weggenossin, gibt zusammen mit Alexander Strobele ein überzeugendes Paar in der Krise, das einander nach Keats im "Tal der Seelenbildung" mutig wieder entgegentritt. Diese Szene wäre vielleicht auch der perfekte Schluss gewesen. Auf jeden Fall hat sich so manche Prophezeiung, dass es sich um die beste Produktion des Hauses in der laufenden Saison handeln könnte, bewahrheitet.

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