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Alice im Albtraumland

Dem Doppelstandard, mit dem im Kino einerseits Sex, andererseits Gewalt begegnet wird, lässt sich ins Gesicht lachen - Zack Snyder und sein "Sucker Punch“ machen das sogar über die ganze Filmlänge hinweg. Baby Doll nennt er die Lolita, die in einem altmodischen Irrenhaus landet. Ihr Stiefvater will sie durch den Aufseher zum Schweigen bringen lassen. Bevor der Arzt in fünf Tagen kommt und ihren Verstand per Lobotomiemeißel abstellt, läuft Baby Dolls Vorstellungskraft auf Hochtouren: Der Doktor wird zum prassenden Kunden, die Anstalt zum Etablissement, in dem sie und die Insassinnen tanzen. Immer bevor es zu anzüglich wird, flüchtet sie: in die Fantasie, eine Kämpferin in den Kriegen quer durch Zeit und Raum zu sein. Fünf Dinge brauche sie, um zu triumphieren, erklärt ihr Mentor - und Snyder hat die perfekte Entschuldigung, Horden an Monstern von gemiederten Dämchen metzeln zu lassen. Ästhetisch am Anschlag dessen, was Zeitlupe und Petroleumfarbbereich hergeben, ist diese Alice im Albtraumland eine Erinnerung daran, dass früher bombastisch teure Luftschloss-Musikvideos produziert wurden. Heute heißen sie Actionfilme. (Thomas Taborsky)

Sucker Punch

USA 2011. Regie: Zack Snyder. Mit

Emily Browning. Warner. 109 Min.

Das Gnu im Blickpunkt

Seit Grzimeks "Serengeti darf nicht sterben“ sind 62 Jahre vergangen, nun ist das einzigartige Savannengebiet in Tansania wieder einmal im Mittelpunkt einer Kinodokumentation. Doch mittlerweile sind die Zuschauer durch TV-Dokumentationen so verwöhnt, dass die dramaturgischen Unterhaltungserwartungen auch an Tierdokus hoch sind. Das liefert Reinhard Radkes "Serengeti“ aber nicht: Gnus, in der Gunst der Fotosafaritouristen schon ihrer bloßen Vielzahl wegen wenig angesehen, stehen im Zentrum des Films. Gnus gebärend, Gnus kämpfend, rennend, Steilwände hinunterstürzend und hinaufkraxelnd, und von Löwen und Krokodilen gefressen werdend. Diese "Serengeti“ wirbt nicht mit Spektakel um Aufmerksamkeit. Dass eine geplante Straße die Migration der Tierherden bedroht, ist eher Randinformation. Das kann als Stilmittel aufgefasst werden. Der Text zum ruhigen Erzählrhythmus passt streckenweise kaum dazu, und das ist ärgerlich. (Magdalena Miedl)

Serengeti

D 2010. Regie: Reinhard Radke.

Constantin. 100 Min.

Magisch-märchenhafte Traumarbeit

Mit wenigen Szenen beschwört Julie Bertucelli ("Seit Otar fort ist“) in "The Tree“ ein familiäres Glück im australischen Queensland. Doch kurz darauf ist der Vater tot. Zurück bleiben eine still leidende Gattin (Charlotte Gainsbourg), die tagelang im Bett liegt, und vier Kinder, die sich selbst überlassen sind. Vor allem die achtjährige Simone (Morgana Davies) leidet unter dem Verlust, beginnt dann aber zu glauben, dass der Vater im mächtigen Feigenbaum neben dem Haus weiterlebe. So teilt sie dem Baum ihre Trauer und Sorgen mit, glaubt sich erhört und weiht bald auch die Mutter in ihr Geheimnis ein. Diese "spielt“ mit, findet auch selbst Trost in dieser Art der Trauerarbeit, gleichzeitig scheint der Baum aber auf fremde Menschen eifersüchtig zu reagieren. Großartig fängt Bertucelli in ihrer Verfilmung von Judy Pascoes Bestseller "Die Geschichte vom großen Baum“ die lichtdurchfluteten Weiten Australiens und den mächtigen Baum ein. Eindrücklich ist auch das Spiel von Charlotte Gainsbourg und der Kinderdarsteller, spürbar von Empathie getragen der Blick der französischen Regisseurin. Aber dennoch packt dieses leise Familiendrama über Verlust und Trauer, Verharren und Neubeginn in seiner märchenhaften und symbolbeladenen Erzählweise den Zuschauer emotional nur bedingt und verlangt ein hohes Maß an Offenheit und Einfühlungsvermögen. (Walter Gasperi)

The Tree

F/D/AUS/I 2010. Regie: Julie Bertucelli. Mit Charlotte Gainsbourg, Morgana Davies. Polyfilm. 92 Min. Ab 8. 4.

Pionier des Fußballs

Deutschland ohne Fußball? Schwer vorstellbar, und doch wurden dem Sport in Deutschland einst große Steine vor die Füße gelegt. Es brauchte im 19. Jahrhundert erst die Entschlossenheit des Englischlehrers Konrad Koch, um den Fußball entgegen alle preußischen Tugenden einzuführen. Die Geschichte des Lehrers, der mit seinen Schülern ein Fußballteam gründet, erinnert an den "Club der toten Dichter“. Sie wurde zwar konventionell, aber berührend und spannend inszeniert. (Ernst Pohn)

Der ganz große Traum

D 2011. Regie: Sebastian Grobler. Mit Daniel Brühl, Burghart Klaußner, Jus-

tus von Dohnányi. Thimfilm. 110 Min.

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