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Der Ton-Käfer von Rephaim

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Mr. Wittenbergs „Stein“ ist ein abgestoßener Terrakotta-Skarabäus von ungewöhnlicher Größe (7:4,5 cm) und der typischen rauhen Ausführung philistaeischer Skarabäen. Die hieroglyphische Inschrift auf der flachen Unterseite ist aber ungewöhnlich klar, tief geschnitten und leicht zu lesen: Sie zeigt die Doppelkartusche eines Ramessidi-schen Pharaos der zwanzigsten Dynastie mit allen Ehrentiteln Aegyptischer Majestät. Vier Vertiefungen zeigen, daß der große Ton-Käfer ursprünglich von den Klauen eines Siegelgriffes gehalten war.

Die berühmte Inschrif* von Medinat Habu berichtet, daß Ramses III., Gründer der 20. Dynastie, im 12. vorchristlichen Jahrhundert, die „Völker der See“ besiegte, die in Aegypten eingefallen waren. Diese Seevölker, unter denen die kretischen Philister erwähnt sind, waren pelasgische Griechen, welche die Jonische Wanderung und der Zusammenbruch des Minoischen Reiches von den Inseln vertrieben hatten. Ramses III. siedelte die besiegten und versöhnten Philister im Süden Palästinas an, das noch heute nach ihnen benannt ist. Sie dienten dort als eine halbunabhängige Grenzarmee, welche Aegyptens syrische Besitzungen gegen die Ausbreitung der Hebräer schützte. Die Feldzüge der Philister gegen Samsons Partisanen und das junge hebräische Königreich wurden auf Befehl des Pharaonischen Generalstabes unternommen. Ausgrabungen haben bewiesen, daß ägyptische Gouverneure in allen phili-staeischen Garnisonen amtierten. Aegyptische Inschriften erwähnen als ägyptische Siege, was die Bibel nur als Kriege der Philister kennt.

Nach der vernichtenden Niederlage von Rephaim waren die Philister kein militärischer Faktor mehr. David verwendete zahlreiche Philister, ebenso wie die Hititer, deren große Zeit auch vorüber war, als Söldner in seinen späteren Kriegen.

Wir wissen von zahlreichen Grabungen, daß diese Urgriechen keine eigene Schrift hatten. Ihre spärliche Korrespondenz wurde in Keilschrift oder demotischen Ideogrammen geführt und mit ägyptischen Skarabäen gesiegelt. Derart kann angenommen werden, daß der philistaeische „Seren“ (ein Titel, der den gleichen Stamm wie „Tyrannos“ hat), der bei Rephaim die verlierende Seite kommandierte, seine Befehle mit einem großen Skara-bäus siegelte, der die offizielle Doppelkartusche seines Kriegsherrn, eines der späteren Ramses der zwanzigsten Dynastie, trug.

Die Annahme, daß Mr. Wittenberg so eine „Stampiglie“ gefunden hat, die bei der Flucht von Rephaim verloren wurde, ist keinesweg weit hergeholt. Ohne jede Spekulation und mit voller Sicherheit kann aber gesagt werden, daß der „Wittenberg-Skarabäus“, ein Objekt bestätigter und überzeugender Echtheit, die älteste datierte Antike darstellt, die jemals in Jerusalem gefunden wurde.

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