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Hinter der Fassade des 1. Kaiserreichs

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IM SCHATTEN NAPOLEONS. Memoiren der Herzogin von Abrantes. Eingeleitet und herausgegeben von Artur Olivier. K.-F.-Köhler-Verlag, Stuttgart. 319 Seiten mit fünf ganzseitigen Textbildern. Preis 18.50 DM.

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IM SCHATTEN NAPOLEONS. Memoiren der Herzogin von Abrantes. Eingeleitet und herausgegeben von Artur Olivier. K.-F.-Köhler-Verlag, Stuttgart. 319 Seiten mit fünf ganzseitigen Textbildern. Preis 18.50 DM.

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Laure Permon, Tochter einer wunderschönen, in Korsika lange ansässigen Griechin, war mit den Bonaparte bekannt, bevor deren spektakulärer Aufstieg begann. In ihres Vaters Haus in Montpellier starb Carlo Bonaparte, Napoleons Vater. Laure heiratete, fünfzehnjährig, den General Andoche Junot, Napoleons Freund und Waffengefährten aus den Touloner Tagen. Die beiden hatten damals Junots „letzte Brotkrume” geteilt. Napoleon vergaß dies nicht. Der tapfere und oft blessierte Junot wurde General, Gouverneur von Paris, Gesandter und nach einem hoffnungsvoll begonnenen Feldzug Herzog von Abrantes. Die Kapitulation von Cintra zeigte dann leider, daß Junot ein couragierter, aber kein großer Soldat war. Trotzdem bekam Junot noch im russischen Feldzug ein Kommando. Er starb im Wahnsinn 1813.

Laure Junot kannte sonach „alle Welt” — sie kannte ihre Anfänge und von vielen das Ende, denn sie starb erst 1838, wie wir sehen werden in bitterster Armut. Metternich hatte ihr attestiert: „Ich habe niemals eine anziehendere oder liebenswertere Frau gesehen.” Nun, der gute Clemens war in seinem Urteil wankelmütig. Allerdings hat er sich in solchen Dingen selten völlig geirrt. Laure Junot zeigte, wie man gesagt hat, die Kehrseite der Geschichte. Aber das ist keineswegs übel zu verstehen. Sie hat einen scharfen Blick für Situationen, war den Menschen gegenüber ohne Bosheit, aber klarsichtig. Sie erzählt sehr viel Kleines, aber es ist doch fast immer lebendig und bezeichnend. Sie ist völlig ihrem Milieu verhaftet, jener brodelnden, aufstrebenden Gesellschaft von oft sehr talentierten und gar nicht selten tüchtigen „homines novi”, welche das erste Empire kennzeichnen. Sie sah Napoleon, der in seiner Jugend im Hause Permon wie ein Familienangehöriger aus und ein ging, keineswegs kritiklos. Seine von ihr geschilderte Grazie und Würde bei der Kaiserkrönung wird allerdings von Leuten, die davon mehr verstanden, sehr bestritten. Aber die Autorin zeigt den herrschsüchtigen, nachträgerischen, launischen, auch wieder gutmütigen, mit allen Kräften aufwärts treibenden Mann — dieses Spektrum aller Eigenschaften, verständlich und glaubhaft. Zur Geschichte der Welt in der napoleonischen Ära tragen die Memoiren der Herzogin von Abrantes nichts bei. Wohl aber zur Kulturgeschichte dieser Zeit. Für „Einleitung” und „Ende” ist man dem Herausgeber verpflichtet. Die Memoiren waren ein glänzender literarischer und geschäftlicher Erfolg, aber Laure Junot starb, krank und von Gläubigern gepfändet, unter Hinterlassung großer Schulden. Ihre Erinnerungen werden für diejenigen Wert behalten, die wissen wollen, wie es damals „hinter der Fassade” aussah.

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