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Sorge um die Hilfsbedürftigen - jenseits der Kirchenpolitik

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Das kleine, wunderschön restaurierte Palais Belcredi in Prag hatte am 2. Juni 1994 ungewöhnliche Gäste.

Da war der Prämonstratenserprie-ster Abt Bohumil Vit Tajovsky aus Zueliv (82) - zwölf Jahre hatte er in den Gefängnissen der Kommunisten verbracht - dann war da der Untergrundpriester Bischof Fridolin Zahradnik (58). Er hat sechs Jahre im Gefängnis verbracht. Beide mußten damals wegen ihrer Treue zu der selben Kirche in den Kerker. Heute behandelt diese Kirche beide Männer sehr verschieden.

An diesem 2. Juni 1994 kam der Abt im schlichten Habit des Mönches und der Bischof im grauen Straßenanzug. Die beiden Priester begegneten einander zunächst mit höflicher Zurückhaltung. Je später der Abend, umso offener und herzlicher wurde das Zusammensein. Aber trotz großer Übereinstimmung wissen natürlich beide, was sie trennt -oder besser: trennen muß. Und ein Teilnehmer des Gesprächs brachte das Problem auf den Punkt er fragte: Ist ein Untergrundbischof auch dann noch Bischof, wenn es gar keinen Untergrund mehr gibt? Natürlich ist er es, wenn auch vieles von damals unbekannt, unklar, unüblich, unüberprüfbar und für viele heute auch unverständlich ist.

„Außergewöhnliche Zeiten verlangen außergewöhnliche Mittel" -

das haben wir schon als Studenten gelernt. Bischof Fridolin ist verheiratet und Dachdecker - Paulus war Zeltmacher. Bischof Fridolin hat natürlich kein Latinum, kein Palais, keinen Stab und keine Infel, kein Territorium, keine Strategien und Strukturen, keinen Apparat und auch keine Finanzkammer - Petrus hatte das alles auch nicht. Wie Petrus wurde er von den Machthabern ins Gefängnis geworfen. Und wie Petrus hat er seine Brüder im Glauben bestärkt, mit ihnen gebetet und das große Mysterium gefeiert. Und er hat die Mühseligen und Bela-denen gesammelt und tut es bis heute noch.

„Die Jahre, die Gott mir noch schenkt", sagt der 82jährige Abt,

„gehören den Menschen." Und der Bischof sagt: „Ich brauche keinen Titel, kein Amt, und ich brauche keine Macht. Ich möchte nur, daß die Menschen, für die ich arbeite, wissen: dieser Fridolin Zahradnik ist im Namen der einen Kirche unterwegs, für die er damals im,Gefängnis war." Das würde ihm Anerkennung und Sicherheit geben. Kirchenpolitik wurde an diesem Abend nicht gemacht, und auch die Irritationen mancher Kirchenrechtler in Rom waren kein Thema. Die Roma und Sinti, die Obdachlosen, die kinderreichen Familien und die immer tiefer in Beziehungsprobleme verstrickten Menschen waren es.

Der Autor ist Zentralpräses des Osterreichischen Kolpingwerkes.

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