Geschichten aus dem Leben Carlos Castanedas

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Kurz vor seinem Tod erzählte der große Geheimnisvolle Einzelheiten seiner Biographie.

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Der im April 1998 verstorbene Carlos Castaneda fand weltweiten Widerhall, der Erfolg seiner Weltsicht muss jedem zu denken geben. "Das Wirken der Unendlichkeit", der letzte vor seinem Tod erschienene Band von Carlos Castaneda, ist neben der Rekapitulation denkwürdiger Ereignisse im Leben des Autors auch sein persönlichstes Buch. Bisher ging es stets um die Auseinandersetzung des umstrittenen Schriftstellers mit der magischen Lehre des alten Yaqui-Indianers Juan Matus, den der damals Anthropologie studierende Castaneda bei Feldforschungen kennengelernt hatte und zu dessen Schüler er wurde. "Tensegrity - Die magischen Bewegungen der Zauberer" (furche 39/1998), sein vorletztes, wie ein Sammelsurium östlicher und westlicher Körperarbeit wirkendes Buch über die geheimen Körperübungen der Zauberer aus der Schule von Don Juan - so nennt er seinen Lehrer - fügt sich auch bestens ins Bild des Gesamtwerks.

Sein letztes Buch, in dem er eine Vielzahl von Geschichten und Erlebnissen aus seiner Kindheit, Jugend und den Zeiten erzählt, in denen er, wenn er nicht beim alten Juan Matus war, noch ein "normale Leben" führte, schlägt etwas aus der Reihe. War der weltberühmte Autor doch immer darauf bedacht, seinen Lebenslauf und seinen jeweiligen Aufenthalt geheimzuhalten. Man weiß nicht viel mehr, als dass er er in Brasilien geboren wurde, den größten Teil seiner Jugend in Argentinien verbrachte und dann in die USA ging, um an der University of California Anthropologie zu studieren. 1968 erschien seine Dissertation als Buch unter dem Titel "Die Lehren des Don Juan - ein Yaqui-Weg des Wissens".

Castaneda beschreibt darin möglichst sachlich seine Gefühle nach der Einnahme psychotroper Pflanzen und seine Reaktionen auf die Lehren Don Juans. Indem er seine Erfahrungen samt den sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen als Wissenschaft bezeichnete, traf er nicht nur die Gelehrten an einem wunden Punkt.

Kein Wunder, dass das Buch zu seiner Zeit - die Hippie-Kultur war am Höhepunkt, viele konsumierten halluzinogene Drogen - bald weltbekannt war. In den folgenden 25 Jahren erschienen weitere acht über Castanedas Weg als Zauberlehrling. Bedenkt man, dass es in seiner Geschichte sehr stark um veränderte Wahrnehmungszustände geht, und wie viele Menschen Yoga, Meditation oder andere Praktiken ausüben, um aus ihrer Alltagswahrnehmung auszusteigen, wird nachvollziehbar, dass diese Bücher trotz den aus naturwissenschaftlicher Sicht ungeheuerlichen Behauptungen des Autors ein Welterfolg wurden. Castaneda geht nämlich noch einen Schritt weiter und betrachtet den Verstand nicht als Werkzeug, um die Glaubwürdigkeit der Wahrnehmung zu hinterfragen, sondern er dient bei ihm dazu, den Kontext für als Realität empfundene Wahrheit zu schaffen. Er untergräbt unser westlich-rationalistisches Weltbild und zeigt ein Manko unserer Gesellschaft, die am liebsten nur eine, genormte, Wahrnehmung zuließe.

Dass das Bedürfnis nach veränderten Wahrnehmungs- und Gefühlszuständen dennoch, besonders bei jungen Leuten, da ist, sieht man beispielsweise an der "Techno-Generation": Viele Jugendliche betrachten Rave, wo sie mittels Ecstasy und anderen Drogen ihre Wahrnehmung verändern, als ihre wahre Welt, während sogenannte Crash-Kids auf der Jagd nach dem Adrenalin gestohlene oder nicht für den Straßenverkehr zugelassene Autos bei Wettrennen und Verfolgungsjagden mit der Polizei zu Schrott fahren.

Liest man Castaneda in der Annahme, dass es sich nicht um reine Fiktion handelt, stehen einem im "Das Wirken der Unendlichkeit" spätestens im Kapitel "Schlammschatten" die Haare zu Berge. Da ist die Rede von räuberischen Wesen aus dem Kosmos, den Schlammschatten, die uns ihr Bewusstsein geben, das unseres wird. "Ihr Bewusstsein ist verschlungen, widersprüchlich, verdrießlich und von der Angst erfüllt, jederzeit entdeckt zu werden ... Durch das Bewusstsein, das schließlich ihr Bewusstsein ist, lassen die Raubwesen in das Leben der Menschen einfließen, was immer vorteilhaft für sie ist. Auf diese Weise erreichen sie ein gewisses Maß an Sicherheit, die als Schutzwall vor ihren Ängsten steht."

Castanedas letztes Buch ist eine romanartige Synthese der Lehren von Juan Matus und Geschichten aus dem Leben des Autors, die Castaneda seinen Lesern näherbringen.

Das Wirken der Unendlichkeit Von Carlos Castaneda Verlag S. Fischer, Frankfurt/M. 2000 350 Seiten, Pb., öS 131,-/e 8,90

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