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Alban Bergs "Wozzeck" als packende letzte Produktion der Grazer Opernsaison.

Er zittert und schlottert, er kriecht und windet sich, dann schreit er seine ganze Verzweiflung heraus: "Wozzeck" von Alban Berg, die letzte Produktion dieser Saison am Grazer Opernhaus, geht enorm unter die Haut. Und zum grausigen Ende blickt der Antiheld von einer kreisrunden, schrägen Ebene (Bühne: Johannes Leiacker) mit der toten Marie im Arm in den Abgrund und somit symbolträchtig in die Tiefen der menschlichen Gefühle. Beinahe nur auf dieser großen, drehbaren Scheibe in verschiedensten schrägen Lagen mit einem Himmel von lauter Glühbirnen, was eine enorme Verdichtung des sonst kargen Bühnenraums bewirkt, lässt Philipp Himmelmann das Drama, das auf der starken Vorlage von Georg Büchner beruht, mit nie nachlassender Spannkraft ablaufen. Der deutsche Regisseur scheut sich dabei nicht vor Drastik und leuchtet immer wieder mit vielen Symbolen die entsetzlichen Abgründe der menschlichen Seele aus.

Aber ohne exzellente Singschauspieler, die nicht nur den Abend, sondern auch extrem schräge und grelle Kostüme (Petra Bongard) und Frisuren tragen, wäre dies nicht möglich: Martin Winkler ist ein Wozzeck im Totaleinsatz mit intensivster Bühnenpräsenz, eine gequälte, geschundene Kreatur, der die anstrengende Partie zudem noch mit Bravour und allen nur erdenklichen Fassetten singt. Nicola Beller Carbone, wegen eines grippalen Infekts indisponiert angesagt, ist eine expressive Marie, die im roten Kleid und hochhackigen Schuhen zwischen flittchenhafter Laszivität und liebender Mutter schwankt. Manuel von Senden ist ein psychopathischer Hauptmann, Wilfried Zelinka ein schneidend kalter Doktor voll Zynismus, analen und oralen Abstrichen sehr zugetan. Paul Lyon ist eine zirkusähnliche Karikatur eines Tambourmajors. Erschütternd und eindrucksvoll sind auch in den kleinen Rollen Taylan Memioglu als Narr sowie Martin Fournier als Andres zu erleben.

Dirk Kaftan am Pult der Grazer Philharmoniker hat ganze Arbeit geleistet: Die Musiker spielen Bergs komplexes Notenwerk mit Akribie, großer Genauigkeit und phänomenaler Durchsichtigkeit und werden durch sein mitreißendes Dirigat zu expressiven Ausbrüchen animiert. Zu Recht großer Jubel!

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