Gier, Geilheit und Gewalt

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Christopher Marlows "Edward II." am Stadttheater Klagenfurt in der Regie von Regie Martin KuÇsej.

W enn diese Regiepranke zulangt, sind Erschütterungen sicher: Nun hat der aus Kärnten stammende Regisseur Martin KuÇsej Hand an Christopher Marlowes Historie "Edward II." gelegt. Das Ergebnis dieser Koproduktion von Hamburger Thalia-Theater und Stadtthea ter Klagenfurt ist eine ebenso brutale wie kompromisslose Studie von Machtmissbrauch. Umgesetzt in üppigen historischen Gemälden und Filmzitaten, mündend in einen eiskalten Kommentar. "Nie wird der König diesem Kriecher entsagen", stellt Königin Isabella (überzeugend: Judith Rosmair) im Hinblick auf die politische Lage der Nation ernüchtert fest.

Denn der ohnehin verlotterte englische König Edward ist dem jugendlichen Gaveston verfallen, überhäuft seinen Lover mit Ämtern und Ehren. Derlei Günstlingswirtschaft muss zwangsläufig für Unruhe sorgen - der Adel zieht gegen den König und tötet Gaveston.

Spiel der Macht

KuÇsej lässt das blutige Drama zur Musik von Bert Wrede wie einen Film ablaufen. Zunächst presst er das Leben bei Hof in farbenprächtige Tableaus, das gesamte Personal in bodenlange Gewänder. Und er spart nicht mit suggestiven Bildern: Als einander Edward und Gaveston in die Arme fallen, geht ein Funkenregen nieder. Als nacktes Liebespaar erstarren die beiden zur Skulptur. Die von Edward gedemütigte Königin wird für jeden erkennbar auch auf der Bühne bloßgestellt. Zwei riesige schwarze Wände (Bühne: Olaf Altmann) verschieben sich von Szene zu Szene. Später, in der Schlacht, kreisen die Wände, werden zu irrwitzigen Machtblöcken. Die Earls tragen Anzug und Pistole anstelle der Frauenkleider. Das Blut fließt kübelweise, während die Parteien in blinder Raserei wie Gangster-Clans gegeneinander antreten - in KuÇsejs exakter Choreografie des Umnietens. Hier wüten nur noch Gier, Geilheit und Gewalt. In Bild und Ton. Schrei, Schnitt, nächste Szene. Ein Judaskuss enttarnt den König. Mittendrin schlendert mit lahmem rechten Bein ein Teufel (?) namens Lightborn: Erzählt ungerührt Liebesgeschichten, trägt sorgfältig mit Blut gefüllte Eimer, dreht nebenbei schon mal einem auch den Hals um - spannend, wie Susanne Wolff diese rätselhafte Figur in Schwebe hält.

Es ist ein groteskes Spiel der Macht, mit dem Martin KuÇsej Hinschauen und Hinhören erzwingt. So man will, ist es auch ein Spiegel, in dem man das Heute erkennen kann. Die bittere Wahrheit formuliert KuÇsej im Schlussbild: So weiß und kalt ist die Welt. Ohne nah und fern. Blutleer. Wie erstarrt hält sich der vom Gefolgsmann zum Macht menschen mutierte Mortimer (Norman Hacker) neben der Königin im Hintergrund. Sollte da noch ein Gefühl sein, dann ist es Hass. Dampfend vor Leben einzig Edward (sehr präsent: Werner Wölbern in der Titelrolle), von KuÇsej im Wortsinn auf Eis gelegt.

Doch was eingefroren ist, kann jederzeit aufgetaut werden. Während der König noch von der Zukunft redet, kommt Lightborn und ermordet Edwards Sohn. Da schlüpft Edward in die Rolle seines eigenen Thronfolgers, hört die Musik vom Walkman des Verblichenen: Neil Youngs Ballade vom langen Weg "gout of the blue, into the black". Dieses Ende ist erst der Anfang. Das Morden wird weiter gehen.

KuÇsejs nüchterner Befund über die Menschheit ist noch bis 31. Mai in Klagenfurt zu sehen.

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