Glücksspiel: Geschürte Illusionen

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Über die Psychologie des Glücksspiels und die Tricks der Spielbetreiber sprach DIE FURCHE mit dem Suchttherapeuten Aron Kampusch.

Die Furche: Welche psychologischen Mechanismen treten beim Glücksspielen auf?

Aron Kampusch: Das Spielen wird vor allem zur Regulation unerwünschter Emotionen eingesetzt: Nach ersten positiven Erfahrungen ereilt Sie irgendwann eine Lebensproblematik, Sie fühlen sich unwohl. Da erinnern Sie sich an die ersten Besuche im Automatensalon, daran, dass dies eigentlich ganz nett war. Sie suchen diese Umgebung erstmals gezielt auf: Aus einem unkonditionierten Reiz wird ein konditionierter. Sie erwarten eine Stimmungsaufhellung, was anfangs auch funktioniert. Aber je öfter Sie spielen, desto höher muss der Einsatz sein, um eine positive Verstärkung zu erreichen. Irgendwann ist das nicht mehr möglich: keine Spur von Stimmungsaufhellung. Wegen des Hausvorteils verlieren Sie meist, aber nicht immer. Sporadisches Gewinnen wirkt dann als "intermittierender Verstärker“ und ist oft mit einem "magischen Denken“ verbunden.

Die Furche: Welchen spezifischen Denkfehlern unterliegt ein Spieler?

Kampusch: Wenn Sie einen Spieler beim Gewinnen beobachten, kommt es zum Phänomen des Verfügbarkeitsfehlers: Sie schätzen Ihre Chancen höher ein und verlieren den Überblick über die Verluste. Zudem sucht der Verstand unentwegt nach Mustern. Diese findet er immer, selbst wenn es in einem Datensalat keine nachweislichen gibt. Wer beobachtet, welche Automaten wann wie viel auszahlen, wird glauben, ein Muster zu erkennen, das es aber in Wirklichkeit nicht gibt. Und je mehr Möglichkeiten ein Glücksspiel beim Setzen gibt, desto eher entsteht die Kontrollillusion, dass man durch Auswahl den Zufall beeinflussen kann.

Die Furche: Wie werden diese Denkfehler von den Spielbetreibern genutzt, um ihr Geschäft zu steigern?

Kampusch: Laute Sirenen etwa kündigen an, dass jemand beim Automaten gewonnen hat. Diese Sirene ist nicht für den Gewinner - der weiß dies ja ohnehin -, sondern für alle anderen Spieler gedacht. Hinter Roulette-Tischen werden die Gewinnzahlen angeführt und Tafeln zeigen an, welche Automaten zuletzt einen Jackpot ausgezahlt haben. Oft wird auch die Illusion geweckt, mit einem Gewinn könne man seine soziale Schicht verlassen: heute Putzfrau im Luxus-Hotel, morgen strahlender Gast darin. Andere Betreiber schenken zu einem unvorhersehbaren Moment allen Spielern einen Gutschein, um einen Verstärkungseffekt zu erzielen.

Die Furche: Kann sich ein Spieler vor diesen Dynamiken schützen?

Kampusch: Ja, aber da die meisten Mechanismen automatisiert stattfinden, muss man dies therapeutisch erst anhand von Beispielen begreiflich machen. Sicheres Spielen ist möglich, als Freizeitmöglichkeit. Man sollte niemals eine Spielsituation aufsuchen, um die eigene Stimmung durch das Spielen zu verbessern und seine Probleme auszublenden oder sich in einem Licht zu zeigen, das nicht der Realität entspricht.

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