Glücksspiel und Sucht: Gepflegte Geschäfte
Was Glücksspiele im Gehirn bewirken – und wie Spielbetreiber die Schwächen der menschlichen Psyche nutzen, um ihre Umsätze zu steigern.
Was Glücksspiele im Gehirn bewirken – und wie Spielbetreiber die Schwächen der menschlichen Psyche nutzen, um ihre Umsätze zu steigern.
Sie wollen als Unternehmer reüssieren? Dann nehmen Sie sich die Drogendealer zum Vorbild. Denn sie handeln mit Produkten, die reißenden Absatz garantieren. Sie brauchen ihr Angebot nicht sonderlich zu bewerben, der Mensch giert ganz von selbst danach. Und wenn er zur Sucht neigt, haben Sie gewonnen. Was hier zunächst zynisch klingt, ist auch und gerade im digitalen Kapitalismus ein subtiles Erfolgsgeheimnis.
Ex-Facebook-Präsident Sean Parker etwa hat das vor zwei Jahren eingestanden, als er darüber berichtete, wie die soziale Plattform konzipiert wurde: „Wir haben eine Schwäche in der menschlichen Psyche ausgenutzt.“ Eine Schwäche, die auf Belohnungseffekten im Gehirn beruht – und die sowohl durch Drogen als auch durch wiederholte Aktivitäten aktiviert werden kann. Ein treffendes Symptom dafür sind das steigende Angebot und die wachsenden Umsätze, die in der jüngsten Geschichte des Glücksspiels auffällig sind: Betrugen die Wett- und Glücksspieleinsätze im Österreich des Jahres 2002 noch 4,6 Milliarden Euro, haben sie sich bis 2018 mit 19,3 Milliarden Euro mehr als vervierfacht.
Kleine Teufel im Gehirn
Warum aber ist das Glücksspiel so attraktiv? Weil uns der Spieltrieb bereits in die Wiege gelegt worden ist. Ebenso hat die Evolution dafür gesorgt, dass der Mensch mit einem Belohnungssystem im Gehirn ausgestattet ist. Durch Ausschüttung von Neurohormonen wie Dopamin prägt es unser Verhalten. Die Nervenzellen dort beginnen zu feuern, sobald eine lustvolle Erfahrung naht – ganz gleich, ob es um Essen oder Sex geht, um Macht oder Anerkennung oder um die unsichtbare Glücksfee, die ein finanzielles Füllhorn zum Überfließen bringt. Das überlebenswichtige Belohnungssystem sorgt dafür, dass der Mensch sagenhaft genussorientiert ist – was ihn wiederum so suchtanfällig macht. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach – das gilt insbesondere dann, wenn Dopamin im Spiel ist.
In den Worten des Hirnforschers Wolfram Schultz (Universität Cambdrige), der seit Jahrzehnten neuronale Belohnungsmechanismen untersucht: „Die Dopamin-Zellen sind wie kleine Teufel in unserem Gehirn, die uns in Richtung weiterer und größerer Belohnungen treiben.“ Und die größte Dopamin-Freisetzung erfolgt durch überraschende Reize – jene unvorhersehbaren Ereignisse, um die sich das ganze Glücksspiel dreht. Ob vor dem Automaten, am Roulette- oder Pokertisch: Es ist ein sagenhaft gutes Gefühl, sich vom Glück begünstigt zu fühlen.
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