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Anonyme Spieler

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„Heute erkenne ich, welches Unheil ich angerichtet habe. Ich stand damals knapp vor dem Selbstmord.“ Millionen aufs Spiel gesetzt — und verloren, eine gut florierende Firma zugrunde gerichtet, alle zwischenmenschlichen Beziehungen zerstört: Das ist eines der vielen Beispiele dafür, wie die Spielleidenschaft einen Menschen ruinieren kann.

Der Mann, der dieses sagt, glaubt heute, daß er geheilt ist. Als einer, der einmal alle Nöte durchlitten hat, in die ihn seine Spielsucht getrieben hatte, will er jetzt anderen Leidensgenossen helfen. Gemeinsam mit einem Arzt hat er beschlossen, eine österreichische Arbeitsgruppe zu bilden, die krankhaften Spielern und deren Angehörigen helfen kann.

So gibt es seit 1982 den Verein der „Anonymen Spieler“. In Therapie- und Selbsthilfegruppen will man den Glücksspielabhängigen helfen, die neurotischen Hintergründe für ihre Sucht zu entdecken und Strategien zu entwickeln, sie in den Griff zu bekommen.

„Ob der Glücksspieler nun mit Karten, Würfeln, Roulette oder am Automaten spielt, er riskiert seine persönlichen Beziehungen — er macht letztlich alles zum Einsatz“, stellt Primarius Günter Pernhaupt, der Präsident des Vereines, fest. „Erst dann, wenn er ganz auf sich allein gestellt ist, sucht er Hilfe.“

Es wäre jedoch wichtig, daß sich die Betroffenen schon rechtzeitig, und nicht erst, wenn alles verloren ist, dem Verein anschließen. Deshalb haben die Initiatoren ein Plakat entworfen, auf dem steht, wo man Hilfe finden kann. Es wird jetzt in Warteräümen und Arbeitsämtern (Arbeitslose neigen besonders häufig zur Spielsucht) aufgehängt.

Wie sieht nun der typische Spieler aus? „Besonders gefährdet sind labile Personen, solche, die Angst haben und wenig sozialen Anschluß finden. Oft sind sie unfähig, ihre Freizeit selbst zu gestalten“, meint Pernhaupt. Interessant ist, daß der abhängige Spieler eigentlich gar keinen Gewinn will. Er spielt so lange, bis er alles verliert, um so die Bestätigung zu erhalten, daß ihn ohnedies niemand mag.

Aus diesem Teufelskreis herauszukommen, gelingt nur in der Gruppe. Vereinsmitglieder betonen, daß sie in der Beratung eine neue Aufgabe gefunden haben.

Die Tendenz zum Glücksspiel und die damit verbundene Gefahr der Abhängigkeit, besonders die vom Spielautomaten, nimmt in unserer Gesellschaft deutlich zu. Ganz wesentlich trägt dazu nach Meinung Pernhaupts auch die immer stärkere Verbreitung der Videospiele bei. Hier wird oft der Grundstein für eine spätere Spielleidenschaft gelegt.

„Es ist wie beim Pawlowschen Reflex. Kaum hört der Abhängige einen bestimmten Piepston, verspürt er den inneren Zwang zu spielen.“ Doch all das wird dem Großteil der Spieler gar nicht bewußt.

Umso wichtiger ist deshalb die Aufgabe, die sich der Verein der „Anonymen Spieler“ hier gestellt hat: zu helfen, indem man dem Betroffenen seine Sucht bewußt macht und ihm die Hintergründe für seine Leidenschaft aufzeigt. Nur so kann er es tatsächlich schaffen, das Glücksspiel aufzugeben.

VEREIN „ANONYME SPIELER“. 1120 Wien, Hetzendorfer Straße 75a/lt Telefon 0222/ 849636.

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