Falsches Spiel mit dem Glück

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Pathologisches Glücksspiel wurde 1991 von der Weltgesundheitsorganisation als Krankheit qualifiziert. Dennoch überlässt der Staat die Beratung und Betreuung von Spielsüchtigen privaten Vereinen.

Wenn der Roulettekessel routierte, wenn die Kugel in die Gegenrichtung jagte und der Croupier "Faites vos jeux" raunte , gab es für ihn kein Halten mehr: Dann wurden ganze Jeton-Gebirge auf eine Zahl gesetzt. Doch die Kugel wollte es oft anders - und ein Vermögen schmolz dahin.

Es war 1959, als Wilhelm Gizicki das Spielfieber erfasste. Zur Feier seiner Ernennung zum Kommerzialrat besuchte der Unternehmer ein Casino in Wien. In Geberlaune löste er 20.000 Schilling in Jetons - und trat mit stolzen 240.000 Schilling (heute umgerechnet 150.000 Euro) den Heimweg an. "Das war mein Einstieg ins Glücksspiel", erzählt der heute 85-Jährige, der am Höhepunkt seiner Sucht binnen zehn Monaten zehn Millionen Schilling verspielte - und damit seine Firma und Ehe in den Abgrund riss.

Nach einer Therapie startete Gizicki neu durch - und gründete 1982 den Verein "Anonyme Spieler". Zug um Zug wurde aus der Selbsthilfegruppe eine professionelle Therapie- und Beratungsstelle, die sich über mangelnden Zulauf kaum beklagen kann. Allein im Jahr 2001 wurden von den zehn Wiener Therapeuten und Schuldnerberatern knapp 1.300 krankhafte Spieler betreut.

Männliche Sucht

"Beim pathologischen Glücksspiel handelt es sich um eine männliche Sucht - schon aus historischen Gründen", weiß Izabela Horodecki, Psychologin und Leiterin der Einrichtung mit dem etwas sperrigen Namen "Beratungsstelle-Therapiezentrum AS' für Glücksspielabhängige und Angehörige". Spielen, Würfeln oder Wetten habe für Frauen lange nicht zum guten Ton gehört. Dennoch steige die Zahl krankhafter Spielerinnen an, so Horodecki: "Wir gehen heute davon aus, dass ein Drittel aller Spielsüchtigen Frauen sind".

Wie stark krankhaftes Glücksspiel in Österreich grassiert, lässt sich nur abschätzen: Bislang wartet man vergeblich auf Studien zu diesem Thema, obwohl pathologisches Glücksspiel im Jahr 1991 von der Weltgesundheitsorganisation als Krankheit anerkannt wurde. Die Fachliteratur rechne jedenfalls mit ein bis drei Prozent pathologischen Spielern in der erwachsenen Bevölkerung, weiß die Psychologin: "Auf Wien umgerechnet heißt das, dass es 17.000 bis 50.000 krankhafte Spieler gibt."

Die Schwelle, ab der Betroffene Hilfe suchen, ist nach Horodecki unterschiedlich hoch: "Beim einen ist es die Scheidung, beim anderen ein Bankraub." Viele der Klienten hätten eine über 15-jährige "Spielerkarriere" hinter sich und einen Schuldenberg von durchschnittlich 45.000 Euro angehäuft. Immerhin 40 Prozent hätten sogar kriminelle Delikte gesetzt, um ihre Sucht zu befriedigen.

Das mehr oder weniger legal erstandene Vermögen landet meist in einem Automaten: Drei Viertel aller Klienten gaben an, dem "einarmigen Banditen" verfallen zu sein. 35 Prozent spielten im Casino, ein Zehntel frönte dem Kartenspiel und acht Prozent diversen Wetten. Lotto, Toto, Brief- und Rubbellose finden sich am Ende der Skala. Trotz dieser Gewichtung ist in den Bundesländern Wien, Steiermark und Kärnten das Aufstellen von Spielautomaten in Gasthäusern und Tankstellen nach wie vor erlaubt.

Ruinöser Spieltrieb

Was aber bringt Menschen dazu, dem Glücksspiel zu verfallen? "Es wirkt euphorisierend und selbstwertsteigernd", stellt Horodecki fest. "Am Roulettetisch vereinfacht sich eben die Welt." Oft wird ein hoher Einstiegsgewinn zum Auslöser der Droge. Wendet sich Fortuna ab, wird den Verlusten nachgejagt - der Schritt in die Sucht ist gemacht.

Umso schwieriger ist der Ausstieg: Zu allererst werden die Betroffenen - falls nötig - angehalten, sich selbst bei den Casinos Austria zu sperren. Erst danach wird eine Schuldenregulierung eingeleitet. In Einzel- und Gruppentherapie lernt man schließlich, abstinent zu werden.

Verständlich, dass das steigende Interesse Jugendlicher an Sportwetten und Internet-Spielen bei den Betroffenen für Nervosität sorgt. So warnt auch der Verein "Anonyme Spieler Salzburg" davor, "eine neue Generation von Spielern heranzuzüchten".

Auch in einem anderen Punkt ortet man in Salzburg und Wien Handlungsbedarf: Derzeit werden beide Einrichtungen unter anderem von Casinos Austria, Admiral Sportwetten und Österreichischen Lotterien gesponsert. Um unabhängig zu werden, fordert man die Politik auf, 0,5 Prozent der staatlichen Glücksspieleinnahmen - allein die Casinos spielten im vergangenen Jahr 227,8 Millionen Euro ein - für die Betreuung von Spielsüchtigen zweckzuwidmen. "Der Gesetzgeber tut praktisch nichts und überlässt alles uns", kritisiert Wilhelm Gizicki. "Wir wollen aber nicht die Hand beißen müssen, die uns füttert."

Nähere Infos bei der Beratungsstelle "AS" unter (01) 544 13 57 sowie unter www.as-wien.com.

In einer Automatenhalle und in einem Kartencasino kann man sich nicht selbst sperren lassen. Altersbeschränkung: theoretisch 18 Jahre. Auch die Altersbeschränkung ist dort ein Problem. Viele sagen ja, 45 Prozent sagen, vor dem 18. Lebensjahr. Nach dem gespielten Spiel: 75 Pozrnet Automatne, 30 Prozent Casino, 1 Prozent Rubbellos. In starken Jackpotwochen spielen bis zu 70 Prozent der Bevölkerung Lotto. Hängt von den Bundesländern ab, in den meisten nicht erlaubt, es gibt's meistens trotzdem.

Geschicklichkeitsspiele: Flipper: Benutzungsgebühr, kein Geldglücksspiel.

Sportwetten: Bei den Tipp 3, den Sportwetten, die die Lotterien anbieten, ist 18 Jahre Altersgrenze. Eine Trafik ist zum Wettengehen viel unattraktiver als ein Wettcafé.

Das hat viel mit der Erziehung zu tun. Was für viele am Glücksspiel die Versuchung ist, einmal unverdient, ohne viel Leistung hineingesteckt zu haben, zu etwas Größerem zu kommen, wird überlagert von männlichem Denken. Wenn ich es nur richtig mache, dann werde ich Erfolg haben: Das sind die Systemgläubigen: Gefahre, erlittenen Verlusten nachzujagen. Kann sein, muss aber nicht zurückkommen.

Andere Theorie, der Frau Dr. Horodetzky, Frauen auch oft, aber sind zum stillen Leiden erzogen, gehen nicht zur Beratungsstelle. Rund ein Drittel Frauen. Nur gerinter Teil der Betroffenen geht zur Beratungsstelle. Finanzieren nicht nur AS, auch Selbsthilfegruppe und Beratungsstelle in Salzburg, ist die jüngste, länger schon eine Stelle und Gruppe an Uniklinik Innsbruck und die vom Magistrat eingerichtete Spielerberatungsstelel in Klagenfurt. auf 1.000 Euro angehoben würde. Oft muss ja der Kreditnehmer gleich bei der Kreditvergabe eine Gehaltsverpfändungserklärung unterschreiben, die an den Arbeitgeber gesendet wird. Kann er die Raten nicht mehr zurückzahlen, wird das Gehalt bis zum Existenzminimum abgeschöpft. Der Sockelbetrag beträgt 643 Euro, dazu kommen noch 128 Euro pro Unterhaltspflichtigem, wobei nur Ehe-, nicht aber LeZeichen mit Leerz. .

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