Du,glückliches Österreich, spiele

Das Recht zur Durchführung von Steuerreformen ist in Österreich dem Bund vorbehalten. Dagegen haben viele Österreicher etwas. Auch das Recht zur Durchführung von Glücksspielen ist in Österreich dem Bund vorbehalten. Dagegen haben die meisten Österreicher nichts. Die Minderheit von 31 Prozent, die sich des Glücksspiels enthält, dürfte genetisch bedingt vom österreichischen Prototyp abweichen, der gern wenig riskiert, um alles zu gewinnen.

Des Glück is a Vogerl... Gern füttert der Österreicher seine Vogerl. Das Vogerlfutter ist selbst für den in Reform befindlichen Pensionisten genauso erschwinglich wie der wöchentliche Lotto-Schein, der jedem, Männlein wie Weiblein, zusätzlich das Gefühl vermittelt, seines Glückes Schmied zu sein.

Die magischen Kreuzel auf den Zahlenfeldern entziehen sich jedem ausgeklügelten System, sie unterliegen keiner mathematischen Gesetzmäßigkeit noch bedürfen sie sportlichen Insider-tums. Sie erfüllen die österreichische Sehnsucht nach absoluter Chancengleichheit und sind der ureigene Ausdruck jedes einzelnen Menschen, das Glück herauszufordern, zu beschwören und - o Doppeljackpot! — zu erhaschen.

Ein Jahr ist es her, seit die österreichische Lotto Toto Gesellschaft unter ihrem Vorstandsvorsitzenden Leo Wallner in ihrer jetzigen Form allwöchentlich das Füllhorn des Glücks über die Österreicher leert. Schon im ersten Geschäftsjahr (September — Dezember 1986) konnte das Umsatz-Soll mit einem Umsatz von 1,6 Milliarden Schilling verdoppelt werden. Für das Jahr 1987 erwartet Lotto Toto (laut Wallner) einen Umsatz von rund 4,5 Milliarden Schilling, was einer Steuerleistung von etwa 1,5 Milliarden Schilling entspricht.

Das ist eine Einnahme, für die der Finanzminister nolens volens der Pragmatischen Sanktion danken und Maria Theresia seine besondere Reverenz erweisen müßte. Die große Herrscherin, selbst begeisterte Glücksspielerin, muß die Österreicher gekannt haben, wie der Wallenstein seine Pappenheimer, als sie 1751 den Betrieb des, J-iOtto di Genova“ in den Erblanden einem Grafen vergab, 260.000 Gulden Pacht mußten jährlich an die kaiserliche Schatzkammer abgeführt werden. 1772 fand die erste Ziehung des Zahlenlottos „5 aus 90“ statt. Die Glücksnummern waren damals 26,81,53,11 und 74. Josef der Zweite verstaatlichte das Zahlenlotto. Tu, felix Austria, lüde...

Von geringerem, aber vermutlich doch auch von kapitalistischem Adel ist das Toto, das erst

in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts entstand. Der angelsächsische Hang zum Wettspiel sprang vom Pferd auf das runde Leder und auch auf Österreich über. Wer wettete, mußte „sein“ Pferd richtig einschätzen und auch recht tief in die Tasche greifen, wollte er sich Gewinnchancen ausrechnen können. Zumeist waren es Männer, die mit dem Wetten Zeit und Vermögen ins Spiel brachten, so wie auch später das Fußball-Toto seine Klientel unter fußballbegeisterten Männern fand.

Das Glück aber, das geschlechtsneutrale Vogerl, schlug auch im Toto der männlichen Domäne ein Schnippchen: Eine alte Engländerin, die vom Fußball wirklich nicht mehr verstand als ein Säugling von der Steuerreform, setzte für jeden Mann, den sie auf ihrem .Spaziergang traf, einen Einser; für jede Frau - gemäß der patriarchalischen Rangordnung ihrer Zeit - einen Zweier und für jedes Kind ein X. Die englische Seniorin gewann ein Vermögen.

In der Zeit des flimmernden Lotto-Trichters haben sich die Grenzen zwischen den Geschlechtern gelockert: 56 Prozent der Männer bezeichnen sich als zumindest gelegentliche Lotto-Spieler. Bei den Frauen sind es 48 Prozent, die kreuzein. Toto-Scheine hingegen werden immer noch mehrheitlich von Männern ausgefüllt: ein bislang noch geschlechtsspezifisches Spiel, dem die Frauen wohl erst dann mehr abgewinnen werden, wenn sich ein weiblicher Torhüter elf anstürmenden Männlein erfolgreich entgegenwirft.bIn dem dichten Netz österreichischer Annahmestellen für Wettscheine halten die Trafiken mit 63 Prozent den Rekord — eine Monopolkumulierung, die außerhalb politischer Neidkomplexe liegt: als Insel der Raucher und der harmlosen Glücksritter, denen der im April 1987 aufgelegte Fünf-Wochen-Schein zusätzliche Bequemlichkeit, aber auch die Verlockung der größeren Chance bietet.

Wenn sich sogar unsere Nachbarn vom österreichischen Lotto-Virus infiziert fühlen — geschätzte vier Prozent der Spieler stammen aus dem im Geschäftsbericht nicht näher bezeichneten Ausland -, so liegt die erfreuliche Vermutung nahe, daß zumindest Österreichs Lotto Toto Gesellschaft den Ruf der Nation nicht schädigt.

Im Gegenteil: Wo man in aller Ruhe jenseits des Datenschutzes das Glück suchen und auch mit wenigen Kreuzein finden kann, ohne dabei Kopf und Kragen oder auch nur den Besuch des Exekutors zu riskieren, da muß noch ein Abglanz des felix Austria vorhanden sein.

Der jubilierenden Lotto Toto Gesellschaft kann an ihrem ersten Geburtstag bescheinigt werden, daß sie als erste Institution für sich beanspruchen kann, sowohl den Staatsbürger als auch den Fiskus zu beglücken. Sie tut dies unter Wahrung streng demokratischer Grundsätze und der immerwährenden Motivation: Es braucht ja nicht gerade ein Sechser zu werden, auch ein Fünfer oder Vierer oder Dreier macht Freude und wird dem treuen Lotto-Spieler zum Erfolgserlebnis.

Besser mit einem Fuß im Glück, denn mit keinem. Wer weiß, vielleicht steht man einmal mit allen vieren drin! Wenn es um „6 aus 45“ geht, hofft sogar der österreichische Mensch, solange er kreuzelt.

Die Autorin ist Presseref erentin der Osterreichischen Lotto Toto GesmbH.