Gott bleibt ganz anders

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Thema: Religionskritik

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Spätestens seit der Wort-Gottes-Theologie Karl Barths und Charlotte von Kirschbaums hält die informierte Protestantin sich für a-religiös. Die letztgültige Selbstoffenbarung des Göttlichen in Jesus Christus, so teilen uns die beiden mit, entlarvt nämlich jegliche religiöse, zum Beispiel rituelle Betätigung als sündhaftes Menschenwerk. Oder deutlicher: Wer mit Kerzen und Weihrauch „Stimmung“ verbreitet oder gar Gott zu bestimmtem Tun bewegen will, begeht einen illegitimen Übergriff.

Das (nicht so genannt sein wollende) Basler Theologenpaar hat mit seiner innerkirchlichen Religionskritik das Grundanliegen der Reformation wieder aufgenommen. Luther und Zwingli hielten nämlich Beichtstühle, Weihwasserbecken etc. für Blendwerk, mit dem die „Papisten“ das Volk vorsätzlich vom Glauben abbringen und an eine irdische Institution – und deren Macht – binden wollten.

Heute leuchten in vielen evangelischen Gottesdiensten wieder „katholische“ Kerzen. Hin und wieder beschwert sich noch jemand über Fastenwochen, Kreistänze oder Taizélieder. Dann wird ihm entgegengehalten, er sei „verkopft“ und außerdem ökumenefeindlich. Die Beleseneren geben zu bedenken, wir befänden uns schließlich in der Postmoderne, und da könne religiöses Tun eben ganz Verschiedenes bedeuten. Außerdem hätten die Leute halt gefühlsmäßige Bedürfnisse und könnten nicht ununterbrochen erstarren vor dem unzugänglichen göttlichen Geheimnis.

Ich persönlich mag Kreistänze und Pilgerwege und all das. GOTT aber, da gebe ich meinen manchmal etwas pathetischen Vorfahrinnen und Vorfahren recht, bleibt jenseits des eifrigen Getues: ganz anders. Und genau daran kann ich mich doch immer wieder erinnern, wenn ich mich ins Schweigen zurückziehe, Kerzen anzünde oder andächtig im Wald spaziere. Oder etwa nicht?

* Die Autorin ist Germanistin und evang. Theologin in der Schweiz

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