Haie & Manager

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G.A.S.: Matt Ruff ist härter, sein Humor schwärzer geworden.

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G.A.S.: Matt Ruff ist härter, sein Humor schwärzer geworden.

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Stadtwerke, Abwässer, Gas & Elektrizität, Puls und Gedärme der Großstadt: Titel und Schauplätze für Matt Ruffs neuesten Roman. U-Boote kreuzen vor New York, ein mutierter weißer Hai treibt in der Kanalisation sein Unwesen, mysteriöse Viren haben ganze Völker ausgerottet, Androiden werden als Diener und Arbeiter beschäftigt, während Harry Gant, der reichste Mann der Welt, seinen Turm zu Babel baut, ein Monument von schwindelerregender Höhe. Alles ganz alltäglich im Jahr 2023 in Manhattan. Jedenfalls im Roman. Denn daran läßt der Autor keinen Zweifel: "Jede historische Hochrechnung der Zukunft ist von vornherein zum Scheitern verurteilt, und überhaupt macht's viel mehr Spaß, sich das Ganze einfach auszudenken." Und es macht auch Spaß, zu lesen, was dabei herausgekommen ist.

Die Handlung läßt sich sowenig zusammenfassen wie das Telefonbuch oder die Bibel, es gibt nahezu kein Thema unserer Zeit, das nicht auf die eine oder andere Art behandelt oder zumindest angeschnitten wird. Auch die Globalisierung ist an Matt Ruff nicht spurlos vorübergegangen. Als er sich vor knapp zehn Jahren mit seinem Erstling "Fool on the Hill" hervortat, hatte er sich einen scharf begrenzten Ort ausgesucht: den Campus der Cornell University in Ithaca. Dort hatte er studiert, dort hat er sich wohl auch die schrulligen Gestalten, Fabelwesen und Ungeheuer ausgedacht, die er dann in verschlungenen Handlungssträngen kunstvoll in Szene setzte.

Ausgefallene Charaktere und vernetzte Geschichten sind dabei, sein Markenzeichen zu werden. Schauplatz seines zweiten Romans ist aber die ganze Welt, mit Schwerpunkt New York. Müßte man in "G.A.S. Die Trilogie der Stadtwerke" nach so etwas wie einem Hauptthema suchen, würde man vermutlich auf den Kapitalismus stoßen oder die Technisierung oder eine Verknüpfung von beidem, doch eigentlich geht es um mehr. Mit Fingerspitzengefühl und bissigem Humor setzt sich Ruff mit den wichtigsten Ideologien unseres Jahrhunderts und deren möglichen Folgen im nächsten auseinander. Gesellschaftliche Entwicklungen und Veränderungen werden ebenso berücksichtigt wie wirtschaftliche oder technische. Gewidmet ist der Roman Ayn Rand, US-Schriftstellerin (1905-1982) und fanatische Befürworterin des Kapitalismus. Es sieht so aus, als wollte ihr Ruff posthum die Meinung sagen.

Das Buch ist viel ernsthafter, als auf den ersten Blick die intelligenten Blödeleien und spektakulären oder einfach spannenden Szenenfolgen vermuten lassen, aber trotzdem kein ernstgemeinter Zukunftsroman. "Die Trilogie der Stadtwerke" beschreibt das Jahr 2023, wie es 1990 existiert, im "Hinterzimmer des Bostoner Hauses", in dem der Autor seine ausschweifende Phantasie in Text verpackt, ein Abenteuer der Gegenwart, aufgeschrieben von 1990 bis 1994.

Es ist immer interessant, die Entwicklung eines begabten Autors zu verfolgen. Matt Ruff wird mit Douglas Adams und Kurt Vonnegut verglichen. Tom Robbins und Terry Pratchett könnten die Reihe erweitern. Aber Ruff ist seit seinem ersten Roman härter geworden, sein Humor schwärzer, und statt Kobolden und Hobbits treten nun Manager, mutierte Reptilien und übergeschnappte Computer auf den Plan. Doch es finden sich immer Idealisten, die die Welt retten wollen. Werden sie es schaffen?

Wie auch immer, Matt Ruff ist ein Autor, von dem man immer wieder gerne etwas liest.

G.A.S. DIE TRILOGIE DER STADTWERKE Roman von Matt Ruff Übersetzung: Giovanni und Ditte Bandini Carl Hanser Verlag, München 1998 622 Seiten, geb., öS 307,

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