Zwei Köpfe voller Geister

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Matt Ruff hat sich des Themas Multiple Persönlichkeit angenommen, mit viel Gefühl und trotzdem schreiend komisch.

Jeder Morgen ist ein ausgeklügeltes Ritual. Jake putzt dem Körper die Zähne, Seferis übernimmt die Morgengymnastik, Tante Sam und Adam dürfen duschen, und dann gehen alle frühstücken, bevor Andy das Kommando für den Tag übernimmt. Wenn man mehrere Charaktere in sich vereint und jeder von ihnen seine eigenen Vorlieben, Mätzchen und Schwächen hat, gehört schon allerhand Logistik dazu, den Alltag zu meistern. Aber Andy findet sich ganz gut zurecht im Leben. Bis er Penny kennen lernt ...

Nach seinem Fantasy-Debüt "Fool on the Hill" und der Romansatire "G.A.S." hat Matt Ruff nun erneut das Genre gewechselt. In "Ich und die anderen" kreist der 1965 in New York geborene Autor um die Probleme multipler Persönlichkeiten und siedelt sein Konzept diesmal ziemlich nahe an der Realität an. Was nicht bedeutet, dass er seine Fangemeinde nicht auch weiterhin mit skurrilen Einfällen, viel Fantasie und Humor verwöhnt.

Dabei ist das Thema eigentlich sehr ernst. Es geht um Gewalt, Kindesmissbrauch und um die Schwierigkeiten, eine gequälte Psyche - beziehungsweise mehrere - ins Lot zu bringen. Während Andy seine verschiedenen Charakterdarsteller zunächst einmal ganz gut "erzogen" zu haben scheint, so dass sie sich nicht nur unauffällig und anständig benehmen, sondern sich sogar gegenseitig ergänzen, wird Penny ständig geplagt von Blackouts und peinlichen Situationen danach - wie etwa das Erwachen im Bett eines wildfremden Mannes. Die Arbeitgeberin der beiden, ein nach landläufiger Definition "verrücktes Huhn" und Inhaberin einer wenig erfolgreichen Virtual Reality-Firma (sic!) will Schicksal und Helferin spielen, doch es ist, als hätte sie gerade damit die Büchse der Pandora geöffnet, die sich nicht mehr schließt, bis so manches schwarze Loch aus der Vergangenheit beleuchtet und Andys instabiles Gleichgewicht nun vollends aus dem Lot geraten ist. Und da wird es abenteuerlich.

Bei allen Gräueln und bei aller Problematik ist es Matt Ruff gelungen, die unzähligen Hauptdarsteller in zwei Köpfen in schreiend komische Situationen zu verwickeln, ohne sich auch nur ansatzweise darüber lustig zu machen. Im Gegenteil. "Ich und die anderen" ist ein äußerst einfühlsamer Roman, der ganz nebenbei zentrale Fragen nach Normalität oder Abnormität, nach Täter- und Opferrollen - oder aber auch nach Liebe und Freundschaft aufwirft. Ein Buch, an das man sich noch lange erinnert.

ICH UND DIE ANDEREN

Roman von Matt Ruff

Übersetzung aus dem Amerikan. von Giovanni und Ditte Bandini

Carl Hanser Verlag, München 2004

600 Seiten, geb., e 25,60

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