"... heilig, auf dass ihr heilig seid"

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Essen hat ihm Judentum eine spezielle religiöse Bedeutung. Die Ausstellung "Kosher for ..." im Jüdischen Museum Wien widmet sich den Kaschrut, den jüdischen Speisevorschriften.

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Essen hat ihm Judentum eine spezielle religiöse Bedeutung. Die Ausstellung "Kosher for ..." im Jüdischen Museum Wien widmet sich den Kaschrut, den jüdischen Speisevorschriften.

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Insgesamt 613 Gebote und Verbote hält die Tora bereit. Der fromme Jude, die fromme Jüdin soll daran das Leben ausrichten: "Haltet euch heilig, auf dass ihr heilig seid"(Lev 20,7). So vielfältig das Judentum sich heute darstellt, so vielfältig gestaltet sich auch die religiöse Observanz: Grob gesprochen hält sich das orthodoxe Judentum an die biblischen Vorschriften, wie sie von den Rabbinen (bis) heute ausgelegt werden, während konservative, liberale oder säkulare Juden diese in unterschiedlichem Ausmaß wahrnehmen - oder sich auch nur zu bestimmten, religiös geprägten Zeiten daran halten.

Unter den Geboten nehmen die Kaschrut, das Regelwerk für Speisen, einen augenfälligen Platz ein. Koscher heißt, was religiös erlaubt ist. Die Ausstellung "Kosher for ", die noch bis Anfang März im Jüdischen Museum Wien zu sehen ist, vermittelt einen guten Einblick in die Bedeutung der Kaschrut für das jüdische Leben heute. Man findet dort "Alltagsprodukte" wie koschere Gummibärli (die Gelatine darf nicht aus Schweinefleisch hergestellt werden ...) oder koscheren Slivovitz ebenso wie traditionelle jüdische Speisen und das dazu gehörige Gerät.

"... denn das Blut ist die Seele"

Dass Juden Fleisch essen dürfen, wurde erst dem Noach nach der Sintflut gestattet (Gen 9). Doch es darf nur Fleisch sein, das ausgeblutet ist, denn Blut bedeutet Leben: "Nur bleibe fest und iss nicht das Blut, denn das Blut ist die Seele, und du sollst nicht die Seele mit dem Fleisch essen."(Dtn 12,23). Aus dieser Vorschrift entwickelte sich das Schächten, bei dem das Tier mit einen Schnitt durch die Halsschlagader geschlachtet wird und dann ausblutet.

Die Vorschriften, was koscher ist, und was nicht, sind ausführlich: Säugetiere, die gespaltene Hufe haben und die Wiederkäuer sind, deren Fleisch darf gegessen werden. Komplexer fallen die Kaschrut bei Vögeln aus, Wasserbewohner müssen, damit sie zum Verzehr geeignet sind, Flossen und Schuppen haben. Von daher ist ein Lachs oder Karpfen koscher, ein Hai (keine Schuppen!) hingegen nicht.

Eine Besonderheit der jüdischen Speisegesetze ist das Verbot des gleichzeitigen Essens von Milchigem und Fleischigem. Das bezieht sich auf die in der Tora mehrfach formulierte Vorschrift: "Du sollst ein Zicklein nicht in der Milch seiner Mutter kochen"(z.B. Dtn 14,21).

Die Ausstellung im Jüdischen Museum Wien geht von acht Fragen aus, die im Lauf des Rundgangs und auch im Katalog einer Antwort zugeführt werden. Das oben genannte Gebot wird bei der Frage "Hat jeder jüdische Haushalt zwei Küchen?" angesprochen.

Die Beantwortung dieser Frage hängt, wie schon zuvor angedeutet, nicht zuletzt von der Observanz der im Haushalt Lebenden ab: Streng orthodoxe Juden trennen auch das Geschirr, das mit Milchigem und das mit Fleischigem verwendet wird, das kann sogar soweit gehen, dass unterschiedliche Kühlschränke da sind. Es gilt auch eine Zeitspanne zu definieren und einzuhalten, die zwischen dem Genuss von Milchigem und Fleischigem liegt.

Ein anderes wichtiges Speisegebot betrifft Pessach, das Gedenk-Fest vom Auszug Israels aus Ägypten. Die für das Pessachmahl, das seinerseits nach genauen rituellen und liturgischen Vorschriften abläuft, verwendete Brot, die Mazzot, muss ungesäuert sein. Orthodoxe Juden reinigen vor Pessach das ganze Haus von jedwedem Gesäuerten, auch das verwendete Mehl muss koscher sein, darf etwa vor der Zubereitung der Mazzot nicht mit Wasser in Berührung kommen, sonst könnte ja bereits ein Sauerteig entstanden sein

Viel mehr als Speisevorschriften

Fragen wie diese werden in der Ausstellung thematisiert: Die Einhaltung der Kaschrut ist ein komplexes Geschehen, wird aber, wie Danielle Spera, die Direktorin des Jüdischen Museums Wien im Einleitungsbeitrag des Katalogs schreibt, als viel umfassender verstanden als die bloße Einhaltung von Speisegesetzen: "Koscher leben umfasst neben allen sonstigen Verpflichtungen, Geboten und Verboten auch alle Reinheitsund Hygienevorschriften, an die sich strenggläubige Jüdinnen und Juden halten, von der Reinigung des Körpers (auch in spiritueller Hinsicht) über koschere Perücken, die orthodoxe Frauen tragen, bis zu koscheren Briefmarken, die keine unereinen Materialien enthalten dürfen."

Für all das gibt es auch moderne kreative Lösungen, die in der Ausstellung in Wien ebenso zu sehen sind wie althergebrachte Gerätschaften und Beispiele aus der jüdischen Küche. Diese fußt zwar auf der Beachtung der Speisegesetze, stellt aber eine Fusionsküche mit den regionalen Gewohnheiten, die das Judentum je vorfindet, dar. Die in der Ausstellung gestellte Frage "Sind Pizza und Kebap koscher?" bringt dies auf den Punkt.

Im reich bebilderten und die Ausstellung ausgezeichnet ergänzenden Katalog findet sich auch ein Gespräch zwischen Hannes Etzlstorfer, einem der drei Kuratoren von "Kosher for ", und dem burgenländischen Winzer Julius Hafner, der koscheren Wein keltert; eigentlich, wie er sagt: "sind die Weingärtner nur 'beratende Organe' nicht die 'durchführende Person'". Die seien der Rabbiner bzw. der Maschgiach, der für die Überprüfung der Einhaltung der Reinheitsgesetze zuständige Kontrollor.

Kosher for ...

Essen und Tradition im Judentum

Jüdisches Museum Wien, www.jmw.at So bis Fr 10-18 Uhr, bis 8. März

Katalog, hg. von Michal Typolt-Meczes, Hannes Etzlstofer, Dan Fischman.

Metroverlag 2014

224 Seiten, zahlr. Abb., e 35,-

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