Bewusst essen als Teil der Religion

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Speisegebote prägen das alltägliche Leben frommer Juden. Sie sollen helfen, Essen und Trinken nicht als Lebenszweck anzusehen und die Lust zu meistern.

Jetzt ist wieder so weit: Die Fastenzeit hat begonnen – zumindest für katholische und orthodoxe Christen. Seit Aschermittwoch üben Gläubige Verzicht, um sich auf das bevorstehende Osterfest vorzubereiten. So vielfältig die Gründe dafür sind, so vielfältig ist auch die Art und Weise, wie dies geschieht: manche entsagen den Zigaretten, andere schränken den Fernsehkonsum ein und viele essen bewusst kein Fleisch, so wie es viele Jahrhunderte hindurch üblich war. Ansonsten kennt das Christentum keine verpflichtenden Speisegebote, anders als beispielsweise das Judentum.

Streng getrennte Küchen

Zwei Besteckladen und zwei Kühlschränke, streng getrennte Arbeitsflächen sowie zahlreiche Teller, Gläser und Töpfe zeichnen eine typisch jüdische Küche aus. Doch dabei handelt es sich nicht um Luxus, sondern um eine religiöse Notwendigkeit. Dahinter steckt das zentrale Gebot, milchige und fleischige Lebensmittel streng zu separieren. Weder dürfen Fleisch- und Milchprodukte gleichzeitig gegessen werden, noch dürfen sie in denselben Töpfen zubereitet werden. Auch bei Tellern, Schüsseln und Besteck wird streng unterschieden. Dahinter steht das biblische Gebot im Buch Exodus: „Du sollst das Böckchen nicht in der Milch seiner Mutter kochen.“ Dieses Verbot wird insgesamt noch weitere zweimal erwähnt. Das erklärt, warum die jüdische Tradition diese Weisung auf jede Mischung von Fleisch und Milch ausgedehnt hat.

Dabei ist Fleisch nicht gleich Fleisch. In der jüdischen Tradition wird bis heute ein Unterschied zwischen erlaubten („koscher“) und unerlaubten („treife“) Tieren gemacht. Von Vieh und Wild darf gegessen werden, was gespaltene Klauen hat und wiederkäut, also beispielsweise Rinder und Schafe. Unterschieden wird auch bei Vögeln, von denen nicht alle als rein gelten, sowie bei Fischen, die nur dann gegessen werden dürfen, wenn sie Flossen und Schuppen haben. Gänzlich verboten sind hingegen „kriechende“ Kreaturen wie Schlangen, Hummer, Krabben und Austern.

Für grundsätzlich erlaubte Tiere gelten noch besondere Regelungen, die sich unter anderem auf die Schlachtung beziehen. Da das Judentum den Genuss von Blut unter allen Umständen verbietet, müssen Tiere nach der Tötung komplett ausbluten. Daraus entwickelte sich die Methode des Schächtens, die bei Tierschützern nicht unumstritten ist. Ziel dabei ist es, dem Tier bei der Tötung so wenig Stress und so wenig Schmerzen wie möglich zuzufügen. Nur ausgebildete jüdische Fleischer sind berechtigt, die traditionelle Form der Schlachtung durchzuführen. Dabei wird mit einem Messer, dass scharf wie eine Rasierklinge sein muss, ein exakter Schnitt durch die Luftröhre und Halsschlagader gemacht. Der rasche Blutdruckabfall sorge für eine schnell eintretende Bewusstlosigkeit und somit zu keinen unnötigen Qualen, sagen jüdische Rechtsgelehrte und Befürworter dieser Methode. Wenn die Schächtung korrekt verlaufen ist und dem getöteten Tier keine Krankheiten wie Krebsgeschwüre oder gebrochene Knochen nachgewiesen werden können, ist es zum Verzehr freigegeben.

Aus tierethischer Sicht interessant: Da es bei langen Tiertransporten in überfüllten LKWs oft zu Knochenbrüchen kommt, wird auf einen sorgsamen Umgang mit dem Vieh vom Bauernhof bis zum Schlachthof gesorgt.

Streng getrennte Anbauflächen

Doch die jüdischen Speisegebote beziehen sich nicht nur auf die fleischigen Genüsse. Selbst für den Ackerbau gibt es Weisungen. So darf die Frucht eines Baumes während der ersten drei Jahre nach der Pflanzung nicht gegessen werden. Außerdem soll kein „neues Korn“ oder davon gebackenes Brot gegessen werden. „Und ihr sollt von der neuen Ernte kein Brot noch geröstete oder frische Körner essen bis zu dem Tag, da ihr eurem Gott seine Gabe bringt“, heißt es im Buch Levitikus. Ebenfalls biblisch begründet ist das Verbot, verschiedene Arten von Samen auf einem Acker oder in einem Weinberg zu säen.

„Die Speisegebote erziehen uns dazu, unsere Lust zu meistern; sie gewöhnen uns daran, das Wachsen unserer Begierden einzudämmen, die Vergnügungssucht zu mildern und die Neigung zu bezwingen, Essen und Trinken als Lebenszweck anzusehen“, schreibt der jüdische Gelehrte Moses Maimonides in seinem Werk „Führer der Verwirrten“ am Ende des 12. Jahrhunderts. Der Mensch lebt eben nicht vom Brot allein!

Ein Blick in die aktuelle Fachliteratur und in die historischen Auslegungen der jüdischen Speisegebote zeigen eine beeindruckende Vielzahl an Weisungen, Geboten und deren Interpretationen, die für Nicht-Juden nur schwer zu überblicken sind. Aber gerade Diskussionen wie jene über die Ver- und Gebote rund ums Essen machen das Judentum zu dem, was es ist: eine spannende und vor allem lebendige Religion.

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