"Ich bin Nestroy-Schauspieler“

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Nur den Nestroy-Ring der Stadt Wien und der Nestroy-Preis für sein Lebenswerk nahm Tausig an, für die "satirische Betrachtung der Wiener“, wie er betonte. Ansonsten lehnte Tausig alle Titel und Auszeichnungen ab, mit einer Ausnahme: den Bruno-Kreisky-Preis, den er 1997 für sein Engagement für Menschenrechte und humanitäre Hilfe erhielt.

Am 10. Oktober 2011 starb Otto Tausig 89-jährig, ein herausragender Künstler und außergewöhnlicher Kämpfer für mehr Mitmenschlichkeit.

Er kam am 13. Februar 1922 als einziges Kind von Franziska und Aladar Tausig in Wien zur Welt. Die Familie war jüdischer Herkunft. Nach dem Einmarsch Hitlers kam der damals 16-jährige Otto mit einem Kindertransport nach England, die Eltern konnten nach Shanghai fliehen. Seinen Vater, der dort starb, sah Otto Tausig nie wieder.

Im englischen Exil war er als Land- und Fabrikarbeiter tätig, schloss sich aber schon bald einer Theatergruppe an. Zu Beginn spielte er Frauenrollen wie die Daja in Lessings "Nathan der Weise“ oder Lady Barthwick in Galsworthys "Silverbox“. Später trat er im Austrian Centre bzw. der Jugendorganisation Young Austria auf und führte selbst Regie.

Engagement für humanitäre Projekte

In seiner Lebensgeschichte "Kasperl, Kummerl, Jud“ beschreibt Tausig die Zeit im Internierungslager, schreibt von seinen Gebeten und dem Verlust des Glaubens, von seinem kommunistischen Engagement, welches ihm als einziger Ausweg aus dem damaligen Elend denkbar schien.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Tausig nach Wien zurück, in der Hoffnung, "aus Österreich wieder ein vernünftiges Land machen zu können, ein Land, in dem man leben kann“. In Wien studierte er Schauspiel am Reinhardt-Seminar und ging 1948 ans Neue Theater in der Scala, das sich als linke, revolutionäre Bühne verstand. Als die Bühne 1956 geschlossen wurde und es in Wien zu einer "Kommunistenhatz“ kam, ging Tausig nach Ost-Berlin, später nach Zürich.

Zurück in Wien ging er vorerst ans Theater in der Josefstadt. 1971 folgte ein Engagement ans Burgtheater, wo er vor allem komische Rollen spielte: Tausig war ein einzigartiger "Zerrissener“ oder Cyrano de Bergerac, er wirbelte als Goldonis Truffaldino über die Bühne, überzeugte als Shakespeares "Sommernachtstraum“-Zettel und blödelte mit Walter Giller in der TV-Serie "Locker vom Hocker“. Er gastierte auch in Frankfurt, Köln und München, sein Repertoire war breit. Am Wiener Volkstheater sah man ihn etwa als wunderlichen Konservatoriumsdirektor in Gert Jonkes "opus 111“, als spießigen Obrigkeitsbüttel in Nestroys "Freiheit in Krähwinkel“ oder als Schnoferl in "Das Mädel aus der Vorstadt“, seiner letzten Rolle auf der Bühne.

1979 war er Mitbegründer des Dario-Fo-Theaters, das in Gemeindehöfen und Werkshallen spielte. Tausig wollte Theater für jene machen, die nicht den Weg in die "Hochburgen der hehren Kunst“ fanden.

Neben den kulturpolitischen Initiativen engagierte sich Tausig in der Friedensbewegung und für humanitäre Projekte. Mit seinen Gagen finanzierte er Kinderheime oder auch die Renovierungsarbeiten eines Flüchtlingshauses in Niederösterreich. Letztes Jahr betonte er: "Noch will ich nicht sterben, weil ich noch einiges vorhabe für jene, die kein Dach über dem Kopf haben auf unserer nur noch von Gier beherrschten Erde.“

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