Im szenischen Staccato zum Selbstmord

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Ödön von Horváths "Glaube Liebe Hoffnung" am Salzburger Schauspielhaus: Trotz des berührenden Stoffs lässt die Aufführung seltsam kalt.

Es geht in der Geschichte um den Untergang, den Tod einer jungen Frau in einer Welt, die gegenwärtig schon wieder immer mehr die unsrige ist: Die Kleinen fängt und hängt man, die Etablierten werden gefeiert. Bagatellverbrechen aus Not, womöglich aus Überlebensnotwendigkeit, werden aufgebläht zu Kapitaldelikten, die keine Hoffnung mehr übrig lassen, wenn nicht der "Delinquent" sie in sich hat. Wie Elisabeth, die diese Hoffnung durch das Stück trägt, bis sie als Selbstmörderin in der Anatomie landet, wo sie sich zu Beginn des Stücks als frische junge Frau für 150 Mark als "lebendiger Leichnam" verdingen will, um mit dem Geld einen Gewerbeschein als freie Reisende zu erwerben, in Wirklichkeit um eine Geldstrafe zu bezahlen, weil sie schon ohne Gewerbeschein ihren Geschäften nachgegangen war. Am Ende steht also die Prosektur, die den Körper eines Menschen, der an der Lieblosigkeit und dem Mobbing seiner Umwelt zerbrochen ist, endgültig zersägen wird.

Der Münchener Gerichtssaalreporter Lukas Kristl hatte den Autor 1932 auf das Elend der kleinen Verbrecher aufmerksam gemacht, deren "Tatbestände ungemein häufig nur auf Unwissenheit basieren", wie Horváth dazu in einer "Randbemerkung" notiert. Das Stück, das also auf einen "Fall" zurückgreift, sollte 1933 auf dem Deutschen Theater in Berlin uraufgeführt werden, was die Nationalsozialisten jedoch verhinderten.

Licht aus, Licht an …

Dass dieser Hintergrund wesentlich stärker berührt als die Aufführung - woran liegt das? Vielleicht an dem Staccato der Szenen, die auf der fast eleganten, in Weiß gehaltenen Bühne (Katrin Kersten) von außen die Kälte zeigen sollten, ohne die auch vorhandenen ruhigeren Emotionen, die Trauer auszuspielen. Vielleicht aber auch daran, dass die realen Verhältnisse schon wieder so nah gerückt sind, dass sie sich dem Stück angleichen. Man brauche zwar diese kleinen Paragrafen für die Gesellschaft, sinnierte damals Horváth, man könnte sie aber "vielleicht humaner anwenden".

Die Inszenierung der Berliner Regisseurin Mona Kraushaar folgt der Szenenfolge des Horváth'schen Stücks sehr genau, zu genau, mit stellenweise enervierenden Licht-aus-Licht-an-Sequenzen. Um die Figur der hier stark emanzipierten Elisabeth bemüht sich in der Horváth wenig entsprechenden Regie Sarah Jeanne Babits, um jene des Schupos Alfons Klostermeyer, der sie in Sorge um seine Beamtenkarriere verlässt, Florian Eisner. Das Publikum feierte das gesamte Ensemble. Gleichwohl: Hier wurde eine Chance vergeben.

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