"Kulturhauptstadt des Führers"

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Oje. Da ist etwas kommunikationstechnisch schiefgegangen. Linz ist Kulturhauptstadt Europas, und internationale Medien berichten von der "Kulturhauptstadt des Führers". Das ist zwar der Titel einer Ausstellung im Linzer Schlossmuseum, aber nicht, wie mancherorts sensationslüstern suggeriert wird, das Motto des Jahres.

Dass Linz sich seit vielen Jahren aktiv mit dem schwierigen Erbe seiner Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzt, belegen intensive Forschung und die Reihe der daraus resultierenden Publikationen. Doch jetzt, endlich, wird rundum diskutiert. Nicht nur auf Podiumsveranstaltungen, sondern privat, im Freundeskreis, beim Abendessen. Die große Ausstellung ist Auslöser. Ob sie gelungen ist, wird kontroversiell beurteilt.

Jedenfalls gelungen ist das Projekt einer Künstlerin. Konzentriert hat Hito Steyerl einen Ort bearbeitet: eines der beiden Brückenkopfgebäude am Linzer Hauptplatz, erbaut in der NS-Zeit. Der blaugrauen Fassade des wuchtigen Baus wurden deutliche Schrammen zugefügt. In sternförmigen Bahnen ist der Putz abgeschlagen. Eine Zeichnung im Raum, entstanden durch Abtragen, durch Schürfen, ein eindrucksvoller Eingriff. Das Ornament erzählt: Es zeigt Flucht- und Verschleppungswege von Menschen, die unter dem nationalsozialistischen Regime aus Linz vertrieben wurden.

Woher man das wissen kann? In den ebenerdigen Schaufenstern des Gebäudes werden Fakten und Geschichten zur Errichtung des Baus vermittelt. Sie setzen vertriebene Bewohner des Altstadtviertels in den Fokus, Auftraggeber, Zwangsarbeiter. Erschütternd, aufschlussreich. Jederzeit sieht man davor Menschen stehen. Bis 2010 bleibt diese Installation bestehen. Dann wird in den Bau die Kunstuniversität einziehen, und Architekt Adolf Krischanitz soll ihm einen Glaskubus aufsetzen. Weitere Diskussionen sind absehbar. Gut so.

* Die Autorin ist Direktorin des Lentos Kunstmuseum Linz

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