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Das Kreuz von Jerusalem und das Reichskreuz

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In meinem Aufsatz „Das verlorene Kreuz“ (Furche, 5. Juli 1947) habe ich die Vermutung ausgesprochen, daß das „Reichskreuz“ der Wiener Schatzkammer eine verkleinerte Nachbildung jenes „Kreuzes von Jerusalem“ ist, das die von Helena aufgefundenen Reste des „echten Kreuzes“ enthielt und vor 760 Jahren in der Schlacht von Hattim verlorenging. Ich möchte nun einen Beleg nadrtragen, auf den ich inzwischen gestoßen bin und der diese Hypothese weitgehend zu bestätigen scheint.

Es ist allgemein anerkannt, daß den Hintergrund des großen Apsismosaiks von Sta. Pudenziana in Rom eine zeitgenössische Darstellung der ältesten konstantinischen Kirche des Heiligen Grabes in Jerusalem bildet. Wir sehen die Arkaden des Atriums, den Rundbau und die Basilika. Im Zentrum hinter der Figur des thronenden Erlösers erhebt sich der Felsen von Golgatha, gekrönt von einem riesigen juwelengeschmückten Kreuz. Dieses Kreuz ist offenbar das „Kreuz von Jerusalem“, von dem wir aus unzähligen Pilgerberichten wissen, daß es in der Golgathakapelle aufbewahrt wurde.

Das Kreuz des Mosaiks von Sta. Pudenziana ist nun. ein deutliches Krukenkreuz und (soweit ich aus den mir hier zugänglichen Reproduktionen schließen kann) mit dem Reichskreuz der Wiener Schatzkammer in Form und Dekoration nahezu identisch. Diese Übereinstimmung zwischen einem Mosaik und einem Reliquiar, die durch ein halbes Jahrtausend voneinander getrennt sind, ist nur dann erklärbar, wenn sie beide dasselbe Original weitergeben, nämlich jenes „Kreuz von Jerusalem“, das in der Grabeskirche vorhanden war, als die Mosaiken von Sta. Pudenziana entstanden und als das Reichskreuz als Behälter eines Spanes der ursprünglichen Reliquie geschaffen wurde.

Derart darf wohl als bewiesen angenommen werden, daß das „Reichskreuz“ der Wiener Schatzkammer die einzige (verkleinerte, aber getreue) Nachbildung jenes „Kreuzes von Jerusalem“ darstellt, das seit dem vierten Jahrhundert in der Grabeskirche aufbewahrt wurde, das Kaiser Heraklius von den Persern zurückerbeutete und das seit der vernichtenden Niederlage der Kreuzfahrer verschollen ist.

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