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Das neue Indien

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Hans Manndorff, ein junger Wiener Völkerkundler, war zweimal im Auftrag der UNESCO in Indien: einmal 1953/54 zur Erforschung der sozialen und kulturellen Voraussetzungen für landwirtschaftliche Entwicklungsprojekte in den Dörfern der Drawida in Südindien; dann 1956/57 in Kalkutta und Bombay, wo er die Auswirkungen der Industrialisierung auf die Bevölkerung studierte. In der Form eines Erlebnisberichts legt er nun die Ergebnisse seiner Untersuchungen vor — eine soziologische Studie von großer Eindringlichkeit. Man spürt hinter jedem Satz die erlebte Realität. Als „teilnehmender Beobachter“ lebte Dr. Manndorff bei indischen Bauern und in den Slums der Großstädte, nahm an religiösen Veranstaltungen und Gewerkschaftsversammlungen teil, besuchte ihre Tempel und Spelunken. Efr schildert Indien von innen: nicht als das Land der Maharadschas, Fakire und Elefanten, wie es dem zuerst auf exotische Reize achtenden Durchschnittseuropäer im Bewußtsein ist, sondern als ein Land, in dem 80 Prozent der Bevölkerung Analphabeten sind und vielleicht noch mehr Hunger leiden und von Epidemien ausgezehrt sind. Der tief in ihren alten Ueberlieferungen wurzelnden, sozial im Mittelalter lebenden Landbevölkerung und den meist vom Land eingewanderten Fabrikarbeitern, die in den Maschinen mythische Wesen sehen, steht eine zahlenmäßig geringe, in ihrem Denken westlich beeinflußte Mittelklasse gegenüber.

Dr. Hans Manndorff sieht die Hauptaufgaben d Ethnologie und eines Ethnologen heute darin, „angewandte Völkerkunde“ zu betreiben; die Völkerkunde muß ihre Erkenntnisse von Eigenart und geistiger Welt eines Volkes in den Dienst der unterentwickelten Länder stellen; Hunger und Elend sind nicht allein durch Dollarhilfeprogramme aus der Welt zu schaffen, diese Programme müssen auch auf die Mentalität der Menschen, denen sie zugute kommen sollen, abgestimmt werden. Daher ist es zunächst wichtig. Ueberlieferung und Denken der meist noch in Dorfgemeinschaften und Kasten abgeschlossenen Bevölkerung kennenzulernen und bei jedem „Entwicklungsprogramm“ auf sie Rücksicht zu nehmen.

Die Ausstattung des Buches läßt viele Wünsche offen. Entbindet wirklich die Subvention einen Verlag von der nötigen Sorgfaltspflicht?

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