Liebe macht blind - und lächerlich

Werbung
Werbung
Werbung

Der ungarische Regievirtuose Viktor Bodó hat mit List und Witz Shakespeares "Sommernachtstraum“ auf die Bühne des Grazer Schauspielhauses gezaubert.

Im Theater wirken die liebeskranken Sommernachtstraumfiguren immer vollkommen vertrottelt. Wie sie sich über Kreuz verknallen und einander mit Eifersucht verfolgen, wie sie auf der Flucht vor ihren Feinden im Wald umherirren und sich von einem Kobold schikanieren lassen. Diese Einfaltspinsel sind eigentlich nur schwer zu ertragen. Schon ihre pompösen Namen Hermia, Helena, Demetrius und Lysander! Und dazu noch der Handwerker Zettel, der sich in einen Esel verwandelt und von einer Elfenkönigin geküsst wird. Was soll daran komisch sein? Genau das zeigt uns Viktor Bodó in seiner zwanglosen und grotesken Sommernachtstraumbearbeitung am Grazer Schauspielhaus. Er macht uns nicht nur die verliebten Tölpel sympathisch, sondern sogar den Puck. Als frecher Geist, der stets verneint, ein Entertainment-Elf im Frack, lockt er uns in ein überraschend neues Stück.

Schneise durch Gespensterwald

Wer also Shakespeare verehrt, aber den "Sommernachtstraum“ gering schätzt, diese überbunte Zauberposse und chaotische Liebesintrige, wird nun eines Besseren belehrt. Viktor Bodó schlägt mit der scharfen Axt seiner Inszenierungskunst eine Schneise durch den vierhundert Jahre alten Gespensterwald. Und darin lässt es sich gut lachen. Bodó dämpft durch Ironie und Spontaneität die pompösen Überraschungseffekte des Elisabethanischen Theaters. Er löst das Sentenzenhafte ins Spielerische auf, ordnet das Figurengewimmel zu einem traumwandlerischen Ganzen. Und plötzlich erkennen wir Shakespeares Durcheinanderdrama als das, was es ist: ein frischer Tagtraum, laut und bizarr.

Viktor Bodó hat es also fertig gebracht, dass wir sogar bei diesem inhaltlich höchst wirren Stück gerne in die Geschichten seiner Figuren einsteigen. Alles beginnt in einer Theaterwerkstatt. Dort lässt er seiner Theatergruppe "Szputnyk Shipping Company“ freien Lauf: Zwischen Pinup-Kalender und Notfallkasten mit Wodkaflasche sollen sie "für Shakespeares schlechtestes Stück Sommernachtstraum“ ein Bühnenbild bauen. Beim Eintritt in die Halle weht ein eiskalter Schneewind über die Bühne. Vom Sommer also keine Spur, dafür hört man aus dem Radio, dass der freien Theaterszene in Ungarn nach dem Regierungswechsel die Subventionen gestrichen werden. Per Fax erfahren die Arbeiter, dass sie für den Bürgermeister auch noch einen bunten Theaterabend gestalten sollen. Dafür gibt’s eine einmalige Subventionszusage und die Zusicherung, dass Spieler mit Migrationshintergrund durchaus erwünscht sind.

Bodós Mut, erstmal tief in eine Handwerker-Schmierenkomödie abzutauchen, wird mit Lachen belohnt. So nebenbei lachen wir uns auch noch diese Shakespeare-Bilder aus dem Kopf, an denen wir so gerne fest hängen. Gut gemacht, Herr Bodó! Denn alles, was dann noch hängt, ist viel weiße Wäsche auf einer Leine, die kreuz und quer über die Hinterhofbühne gespannt ist (Bühne: Pascal Raich), reichlich bestückt mit Büstenhaltern und Herrenunterhosen, auf denen Davids Gemächt von Michelangelo prangt. Der richtige Ort um jemandem an die Wäsche zu gehen. Und so ist es dann auch: Heftigen Hormontrips und hemmungslosen Paarungstrieben sind dank natürlichem Aphrodisiakum nun keine Grenzen mehr gesetzt. Liebe ist ein großes Spiel. Sie macht blind und sie macht lächerlich. Wenn die Schauspieler immer wieder aus ihren Rollen treten und ins Private rutschen, wenn sie Textpassagen wiederholen, wenn sie die Qualität ihres eigenen Spiels in Frage stellen, schleicht sich menschliche Lächerlichkeit ein und hat ihren großen Auftritt. Bei Shakespeare heißt es dann: "Der Mensch ist nur ein Esel, wenn er wagt diesen Traum zu deuten.“

Gespielt Fabelhaftes

Für diesen dreistündigen Theatertraum laufen die Spieler zu Hochform auf. Thomas Frank glänzt als durchtriebener Puck mit Alleinstellungsmerkmal. Die beiden jungen Männer Lysander und Demetrius (Simon Käser, Florian Köhler) und die jungen Damen Hermia und Helena (Pia Händler, Katharina Klar) laufen mit Freude ihrer Austauschbarkeit nach. Mit Sebastian Reiß als epileptischem Zettel hat man viel Spaß. Dafür können der hoch gewachsene Jan Thümer als Oberon und Theseus und Kata Petö als Titania und Hippolyta unnahbar bleiben. In dieser Distanz dürfen sie dann auch manchmal berührend erscheinen. Ein Traumpunkt für sich ist wieder einmal Klaus von Heydenabers Musik.

Abermals also kippt Viktor Bodó mit Wucht ein Stück auf die Bühne, weckt unsere Alltagsgespenster und lässt grinsend nachfragen, was von dem gespielt Fabelhaften in der eigenen Seele denn Wirklichkeit sei.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung