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Eine unpathetische Innerlichkeit

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Diese Sammlung vorwiegend unveröffentlichter Texte der expressionistischen Dichterin Henriette Hardenberg sind Zeugnisse einer großen poetischen Begabung.

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Diese Sammlung vorwiegend unveröffentlichter Texte der expressionistischen Dichterin Henriette Hardenberg sind Zeugnisse einer großen poetischen Begabung.

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Es gibt Gedichte, die vor einer endgültigen, zermürbenden Alltäglichkeit bewahren und uns dankbar und gebannt in andere Gefühlsebenen einsteigen lassen. Dabei darf das (Euvre von Henriette Hardenberg (geboren 1884 in Berlin, gestorben 1995 in London) keineswegs mit der Bezeichnung „weltfern“ abgestempelt werden. Viele ihrer Gedichte, etwa „Schrecken“ (1918), weisen einen aktuellen Bezug zu den Kriegsgreueln auf. Trotzdem wäre die Klassifizierung „politische Lyrik“ eine zu vorschnell. Ein genauso oberflächliches Urteil wäre, das Werk der Künstlerin als typisch expressionistisch einzuordnen. Denn hinter diesen Gattungsbezeichnung liegt gerade bei Henriette Hardenberg - und das ist das Faszinierende — um so viel Tieferes. Es ist dieses „all-erfühlende Ich“ (Hartmut Vollmer), es sind diese „rein inneren Gedichte“ (Rainer Maria Rilke), die im Leser den wirklichen Wunsch wachsen lassen, die in Prosa und Lyrik meisterhaft geschilderten Gefühle und Erlösungsgedanken im weitesten Sinne nachzuempfmden, wobei die Künstlerin auffallenderweise einer Prosasammlung den Neunen „Phantasie“ gibt und ihr dadurch von vornherein alles Prosaische nimmt. Sowohl durch die hier gedruckten Gedichte und Prosasammlungen als auch durch die Auszüge aus den Tagebüchern wird der Rezipient von dem emotional starken Inhalt und der besonders metaphorischen Sprache gepackt. Vor allem die Naturbilder der Liebeslyrik stehen in der schönen Tradition des „Hohen Liedes“.

Aber die Bewunderung des Lesers erstreckt sich nicht nur auf die Dichtungen, sondern auch auf die gesamte Gestaltung des Buches. Gleich auf dem Titelbild und viele Male im Buchinneren ist Henriette Hardenberg abgebildet. Unschwer läßt sich eine Beziehung herstellen zwischen dem träumerisch sensiblen Gesichtsausdruck und der berührenden Art zu schreiben. Durch die Einleitung von Paul Raabe, die Ausschnitte aus dem eigentlichen Werk, die Tagebucheintragungen, ein informatives Nachwort des Literaturwissenschafters Hartmut Vollmer und einen ausführlichen editorischen Bericht hat man das Gefühl, der kreativen, auffallenden Künstlerpersönlichkeit Henriette Hardenberg nachhaltig begegnet zu sein.

SÜDLICHES HERZ

Nachgelassene Dichtungen. Von Henriette Hardenberg. Hrsg, von Hartmut Vollmer. Arche Verlag, Zürich 1994. 306 Seiten, öS 343,-.

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