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Vom Untergang bedroht?

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Es ist erstaunlich, mit welcher Leichtfertigkeit in Presseberichten der letzten Zeit lobend hervorgehoben wurde, daß das österreichische Kriegsarchiv in Wien in den letzten Jahren eine Arbeit leistete, die es offensichtlich einer anderen oder mehreren anderen Dienststellen abgenommen hatte. Unter reißerisch aufgemachten Schlagzeilen, wie „Vergilbte Papiere werden zu Wertpapieren“, verbrämt mit dem durchsichtigen Zauber statistischer Zahlenangaben, soll der Öffentlichkeit weisgemacht werden, daß das Österreichische Kriegsarchiv eine neue Daseinsberechtigung gefunden habe, die bedeutend nützlicher für die Öffentlichkeit sei, als Zentrum der militärhistorischen, aber auch bedeutender kulturhistorischer, Forschungen zu sein, welches das Kriegsarchiv noch bis zu jener Zeit war, als es plötzlich die Liebe für die sozialen Bedürfnisse des einfachen Staatsbürgers entdeckte und ihm zu deren Befriedigung seinen guteingespielten Kanzleiapparat und die Erfahrungen von hochqualifizierten wissenschaftlichen Beamten und Verwaltungsbeamten kostenlos zur Verfügung zu stellen begann.

Liest man indessen aber die Presseberichte genauer, die diese kühne Tat der Öffentlichkeit präsentieren, und schiebt man die Zahlengaukelei von den bisher ausgestellten 120.000 Kriegsdienstzeitbestätigungen und Millionen Unterlagen, die dafür vom Kriegsarchiv gesammelt und angeblich auch karteimäßig erfaßt worden sind, beiseite, läßt man die schmückenden Beiworte wie „Kein Fall ohne Dienstzedtbestäti-gung“ weg und studiert man dafür vor allem die mutmaßliche Quelle dieser Presseberichte, nämlich den im Heft 894 der „Berichte und Informationen“ vom 6. September 1963, der Zeitschrift des österreichischen Wirtschaftsförderungsinstitutes, veröffentlichten Artikel „Das Kriegsarchiv im Dienste des ,ASVG-Be-triebes'; Millionen Belege zur Bestätigung anrechenbarer Dienstzeiten“ genauer, so offenbart sich hier ein Vorgang, der wohl in ganz Europa einmalig sein dürfte. Eines der ältesten und bedeutendsten europäischen Forschungsinstitute zur Militär- und Kriegsgeschichte Mitteleuropas wird in herausfordernder Weise desavouiert; und mit einem bodenlasen Leichtsinn wird vor der Öffentlichkeit zugegeben, daß eine dem Bundeskanzleramt unterstehende Dienststelle Arbeiten an sich gezogen hat, die nicht in ihren Aufgabenbereich fallen.

Das geht entschieden zu weit, und es ist höchste Zeit, hier einmal gründlich hineinzuleuchten!

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