Keiner fing die Auswirkungen des frühen Industriezeitalters mit solcher Erzählkunst ein wie der 1812 geborene Charles Dickens. Er schildert den Sturz der Verlierer ins Elend, er beschreibt die von den Gewinnern kaum mehr wahrgenommenen Milieus der Verlierer, das Leben im Bodensatz einer Gesellschaft, die den Sinn des Lebens auf den Geldwerwerb reduziert hat, die Gier der Reichen, ihre Heuchelei. Dies alles aus der Sicht des Landes, das den modernen Kapitalismus hervorbrachte. So mancher seiner Romane gewinnt heute neue Gültigkeit und düstere Zeitgemäßheit. Daher ist die Schmuckkassette mit seinen Werken, darunter auch die Weihnachtserzählungen, ein alles anderes als unmodernes Unterfangen. Man kann Dickens vielmehr als Warnung vor den Folgen genau dessen lesen, was heute machtvoll vorangetrieben wird. Dank seiner Erzählkunst, seinem Humor und seiner Ironie, seiner Warmherzigkeit und seiner Beobachtungsgabe ist die Lektüre auch ein Langstrecken-Leseabenteuer für Menschen mit langem Atem, für diese freilich ein ganz besonderer literarischer Genuß. Was besonders hervorzuheben ist: Die Illustrationen entstammen den Originalausgaben.
Einem literarisch interessierten jungen Mann, dessen neoliberalem Credo ich ganz unauffällig einen Stoß versetzen möchte, würde ich sofort diese Kassette schenken. Auch Vadlav Klaus und anderen post-thatcheristi-schen Reformern täte Dickens gut. Auch ganz ohne solch tückische Hintergedanken ist sie jedoch ein prächtiges Weihnachtsgeschenk, denn Oliver Twist, David Copperfield oder der alte Geizhals, den die Geister in der Dickens-Verfilmung des „Christmas Tale" einst so unheimlich riefen („Mister Scrooooge..."), sie sind unsterblich.
CHARLES DICKENS WERKE IN 6 BÄNDEN
m Verlag Artemis & Winkler, % Düsseldorf 1997
6 Rande, 5.2)2 Seilen, geb., VorzugspreU
bis 31.1.1998: öS 1.445,-
