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In Piber, der Heimat der Lipizzaner, wird die bislang größte Ausstellung zum Thema "Pferd und Reiter" vorbereitet.

Seit 5.000 Jahren ist das Pferd mit der menschlichen Kulturgeschichte untrennbar verbunden. Mit diesem Reit- und Zugtier verfügte der Mensch erstmals in seiner Geschichte über ein Transportmittel, dessen Geschwindigkeit seine eigene weit übertraf. Das Pferd, so könnte man sagen, hat den Menschen erst richtig mobil gemacht. Genutzt wurde diese Mobilität sehr unterschiedlich: zur Arbeit, zum Reisen, vor allem aber zum Krieg und zur Eroberung. Hunnen und Mongolen wären nicht denkbar ohne ihre Pferde, die Türken wären nicht bis vor Wien und Napoleon nicht bis Moskau gekommen; Hernán Cortés genügte ein gutes Dutzend Pferde, um das Aztekenreich zu unterwerfen.

Eine besondere Rolle spielte das Pferd in der mittelalterlichen Ritterkultur. Ritter waren ursprünglich Krieger zu Pferd, ihre Rolle und ihr sozialer Status ist ganz mit diesem Tier verbunden und ihre Reiterspiele, die Turniere, waren die symbolische Demonstration dieser Tatsache. Der Berufskriegerstand hatte auch Einfluss auf die Pferdezucht: Ein Ritter mit Rüstung und Sattel wog 150 Kilo und mehr, daher brauchte man größere und stärkere Pferde.

Erst mit der Entwicklung immer genauer, weiter und schneller schießender Gewehre in der Neuzeit schwand die Überlegenheit der Kavallerie zusehends. Doch selbst die Kriege des 20. Jahrhunderts sind ohne Pferde nicht vorstellbar. 1,4 Millionen Pferde hatte die deutsche Armee im Ersten Weltkrieg im Einsatz; sie mussten vor allem Geschütze ziehen. Im Zweiten Weltkrieg setzte allein die Rote Armee 3,5 Millionen Pferde ein und die Schlacht um Stalingrad kostete nur auf deutscher Seite rund 52.000 Pferden das Leben.

100 verschiedene Rassen

Bis zum Automobilzeitalter waren Post- und Personenbeförderung, aber auch staatliche Repräsentation nicht möglich ohne Pferde. Im Ackerbau bedeutete das Pferd einen unheimlichen Fortschritt und Holz wurde in den Alpen noch in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts mit Pferden zu Tal gebracht. Für die verschiedenen Bedürfnisse hat der Mensch, seit er das Pferd im vierten vorchristlichen Jahrhundert gezähmt hat, über hundert verschiedene Rassen gezüchtet.

Angesichts der Wichtigkeit des Pferdes und der engen Verbundenheit mit dem Menschen ist es kein Wunder, dass das Pferd seine Phantasie beflügelte und in Sagen und Mythen eine große Rolle spielt: vom Pegasus bis zu den apokalyptischen Reitern, dem scheuen Einhorn oder den Kentauren, den Zwitterwesen zwischen Mensch und Pferd, und zahlreichen Pferdegottheiten verschiedenster Religionen. Natürlich hat das Pferd auch Eingang in die Kunst gefunden. Stiche von Albert Dürer oder Franz Marks berühmte blaue Pferde kommen einem sofort in den Sinn, aber auch Marc Chagall, Salvador Dalí oder Pablo Picasso haben immer wieder Pferde dargestellt.

Pferde erleben

Heute ist das Pferd aus unserem unmittelbaren Erleben weitgehend verschwunden. Reiten als Sport, romantische Schlittenfahrten und nostalgische Stadtrundfahrten mit dem Fiaker sind geblieben. Und die große Faszination, die Pferde für Kinder, vor allem für Mädchen ausüben. Für viele Stadtkinder sind Pferde wichtig, um den Bezug zu Tieren zu lernen und zu erleben - bis hin zur Therapien mit Pferden.

Die diesjährige Steirische Landesausstellung will alle diese Aspekte rund um das Pferd erlebbar und nachvollziehbar machen. Sie wird von 1. Mai bis 26. Oktober in dem kleinen Ort Piber, etwa 40 Kilometer westlich von Graz stattfinden, wo die weltberühmten Lipizzaner, die älteste Kulturpferderasse der Welt, gezüchtet werden. Ihren Namen haben sie vom ehemaligen kaiserlichen Hofgestüt in Lipica bei Triest, das heute in Slowenien liegt. Seit 1580 wurden dort Pferde aus spanischem, italienischem und arabisch-orientalischem Blut gezüchtet, die sich durch einen edel geformten Körperbau, graziöse Bewegungen, Lernfähigkeit, Mut, Ausdauer und Gutmütigkeit auszeichnen - Merkmale eines typischen barocken Prunk- und Prachtpferdes. Nach dem Ersten Weltkrieg musste für die 97 edlen Pferde, die Österreich zugesprochen wurden, eine neue Heimat gefunden werden und so kamen 1920 die ersten nach Piber - die Landesausstellung wird unter anderem auch zeigen, wie entscheidend Boden, Wasser, Klima und Fütterung für die Pferdezucht sind. Nach der durch den Zweiten Weltkrieg notwendigen Evakuierung sind die Pferde seit 1952 wieder in Piber.

Das Bundesgestüt Piber ist seit seiner Gründung eng mit der Spanischen Hofreitschule in Wien verbunden, die mit dem Ende der Monarchie ebenfalls eine neue Funktion erhielt: War sie bis 1918 dem Kaiser und seinen illustren Gästen vorbehalten, fand eineinhalb Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs die erste öffentliche Vorführung statt. Heute ist sie das einzige Institut der Welt, wo die klassische Reitkunst in der Renaissancetradition, wie sie Kaiser Maximilian I. nach Österreich geholt hatte, bis heute bewahrt wird.

Von Lipica nach Piber

Piber ist die "Kinderstube" der Lipizzaner der Hofreitschule, die dunkelgrau oder braun geboren werden und erst mit sieben bis zehn Jahren ihre charakteristische weiße Farbe bekommen. Mindestens drei Jahre verbringen die Pferde in Piber und im Sommer auf nahe gelegenen Hochalmen, bevor sie zur weiteren Ausbildung nach Wien übersiedeln. Die Spanische Hofreitschule wird daher auch zur Eröffnung der Ausstellung in das Bundesgestüt Piber kommen, das für die Ausstellung vollständig renoviert wird. So werden etwa umfangreiche neue Besucherwege gestaltet, auf denen die tägliche Arbeit mit den Pferden hautnah mitverfolgt werden kann. Nach der Landesausstellung soll das Schloss verstärkt als Kultur- und Veranstaltungsort genutzt werden.

Kulturgeschichtlich und zugleich emotional will die Landesausstellung ansetzen. "Sehen, Spüren, Riechen & Hören - mit allen Sinnen Pferd erleben", lautet ein wichtiger Grundsatz. Drei "Akte" sind geplant: die kulturgeschichtliche Ausstellung in dem 1728 fertiggestellten Schloss und im gotischen Schüttkasten, Einblick in den Alltag der Pferdezucht im Gestüt und Rahmenprogramme mit Sonderschauen, Ausstellungen, Sehenswürdigkeiten und Veranstaltungen für Pferdeliebhaber in der ganzen Region und in Piber selbst. Die 19 Fachbereiche reichen von Sagen und Mythen über die Geschichte barocker Prunkpferde bis zum Pferdesport heute. Pferdedarstellungen der Antike werden ebenso zu sehen sein wie eine Nachbildung Ulrichs von Liechtenstein, des berühmten steirischen Ritters, Landeshauptmannes und Minnesängers oder eine einzigartige historische Sattelgarnitur aus Tibet. Unter dem Titel "Das Pferd in der Kunst" wird ein einzigartiger, noch nie gezeigter Querschnitt von Statuetten, Gemälden und Grafiken zum Thema "Pferd und Reiter" aus fünf Jahrhunderten - von Albrecht Dürer bis zur unmittelbaren Gegenwart - gezeigt werden.

Mythos Pferd

Zauber der Lipizzaner

Steirische Landesausstellung 2003

in Piber/Köflach

1. Mai bis 26. Oktober 2003

www.mythospferd.com

Informationen zu Führungen:

Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung Kultur, Trauttmansdorffgasse 2, 8011 Graz, Tel. 03144/71666

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