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Pferdezucht in osterreich

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Der Krieg hat Unmengen von Pferden in allen Staaten, die von Deutschland besetzt waren, dahingerafft. Schon 1942 betrug der „Verschleiß“ an Pferden des da-ma-ligen Deutschen Reiches die Kleinigkeit von 800.000 Stück. Daß in den folgenden . Jahren gewiß noch einige hunderttausend Pferde dazugekommen sind, kann man daraus schließen, daß Pferde in der letzten Zeit vor dem Kriegsende in der Wehrmacht kaum mehr zu sehen waren. Die zahlreichen Beutepferde aus Frankreich, Belgien und Rußland wurden zum größten Teil die Opfer der ungenügenden Ausbildung jener Personen, denen sie anvertraut wurden. Auch Österreichs Pferde sind unter diesen Opfern in nicht geringer Zahl zu finden. Selbstverständlich rissen diese Abgänge in den einzelnen Staaten große wirtschaftliche Lücken, die nicht so schnell aufgefüllt werden können. Wahllos wurden die Pferde assentiert. Selbst Vollblutpferde oder hochwertige Turriierpferde wurden zu bespannten Einheiten eingeteilt, bei denen sie zugrunde gerichtet und bis zu ihrem Tod ausgenützt und geschunden wurden. Daher richteten auch die Landwirte Deutschlands ihren Pferdebestand so ein, daß fast nur Stuten eingestellt waren. Ohne viel Nachdenken wurden ungeeignete Stuten auch gedeckt, um vor der Musterung sicher zu sein. Nur einige Gutsbesitzer ließen sich von ihren erprobten und systematischen Zuchtrichtlinien nicht abbringen. Sie opferten dann eben nur jenes Material, das zu verlieren ihnen nicht leid tat, und damit reinigten sie ihren Bestand an Pferden, besonders an Arbeitspferden, vor schlechtem oder minderwertigem Material.

Aber auch in den Pferdelazaretten herrschte eine grauenhafte Unkenntnis und daneben eine erschütternde Theorie, an der mehr Pferde eingingen als an den Leiden, mit denen sie ii das Lazarett eingeliefert wurden. Die Kommandeure dieser Lazarette, meist Stabs- oder Oberstabsveterinäre, verstanden praktisch sehr wenig von der Pferdepflege, bekümmerten sich auch wenig um sie und überließen sie meist den Unteroffizieren. Von dieser Mißwirtschaft wurde nun besonders Österreichs Pferdebestand in Mitleidenschaft gezogen.

Das Wirtschaftspferd in Österreich Wir hatten in Österreich nie ein wirklich kriegsfähiges Zugpferd gezüchtet, denn 'das Material, das namentlich bei der Bauernschaft beliebt war, es leider auch heute noch ist, sind weiche, schwere Pferde, mit denen längere Strecken, etwa 20 Kilometer, im Trab zu fahren unmöglich ist. Es zeigte sich bald, daß solche Pferde als Bespannung der schweren Artillerie völlig unbrauchbar, daher in der allerkürzesten Zeit vernichtet und verloren waren. Diese Pferde, in fast allen Gebieten Österreichs leider mehr als zahlreich vertreten, eignen sich selbst für die

Anforderungen des Landwirtes nicht sonderlich, weil sie sehr heikel sind. Es kommt sehr häufig vor, daß in der Zeit, während die Feldarbeit ruht, die Pferde durch den langen Aufenthalt im Stall an den sogenannten „Harnwindfln“ eingehen. Es wäre jetzt an der Zeit, die Pferdezucht, namentlich die von Gebrauchs- undArbeitspfer-d e n, aus ihrer Lethargie zu reißen und durch eine' wohldurchdachte Kontrolle seitens des Landwirtschaftsministeriums auf eine entsprechende Höhe zu bringen. Es müßte damit aufgehört werden, daß in den Hengstendepots Deckhengste vom Typ „Fritzl XXXVII“ aufwärts in die Deckstationen wandern, nur weil der meist von Pferden wenig oder nichts verstehende Bauer an diesen feisten, weichen Tieren Gefallen findet. ' '

Wenn man das französische Arbeitsmaterial betrachtet, findet man einen streng einheitlich geformten Pferdetypus, schön in den Schultern, mit starken, knochigen Beinen, breiter Brüst und Kruppe, also Pferde, die ebenso im schweren Ackerdienst als auch im leichten Trabfuhrwerk zu gebrauchen sind. In dieser Zucht liegt ein jahrzehntelanges System. In ganz Frankreich findet man solche Arbeitspferde, die auch bei uns in Österreich sehr wertvolle Leistungen geben würden. Es wäre daher dringendst geboten, die Landwirte anzuhalten, nur solche Tiere zu züchten, die auf eine von Fachleuten festgestellte und. vor allem genehmigte Abstammung hinweisen. Daher müßte die Köhrung der Hengste genau so streng geprüft und durchgeführt werden wie jene der Stuten. Jedes Pferd muß einen Stammbaum haben, vor allem aber müßten in allen Bundesländern Kalt- und Warmblutzüchterverbände gegründet werden, denen die Landwirte als Mitglieder angehören. Diese Verbände hätten die Aufgabe, alle Pferde genau zu registrieren, und für sie Dokumente auszustellen. Sie verfügen auch über Deckhengste und ermöglichen dadurch den Landwirten, ein erstklassiges; und gleichmäßiges Pferdematerial kaufen zu können.

Der Bauer muß aber außerdem hypologisch erzogen werden. Ich weiß ausineiner Erfahrung als Musterungsoffizier, daß viele Bauern, besonders in den Weingegenden Nieclerösterreichs, kaum des Kutschierens mächtig, geschweige denn mit der Wartung oder der richtigen Behandlung eines Pferdes vertraut sind. Sie konnten oft nicht einmal ihre Pferde richtig anschirren, weil sie erst ganz kurze Zeit mit Pferden zu tun hatten und ihre Arbeit bis dahin mit ihren Kühen bewerkstelligten.

Unsere Landwirtschaft, die so viel verloren hat, braucht trotz Traktoren dennoch das Pferd. Heute schon müßte seitens des Staates darangegangen we/den, die Pferdezucht wieder zu pflegen und zu verbessern. Da wir aus eigenen, vorhandenen Beständen dies wohl kaum werden leisten können, müßte man trachten, einen Stock guter Arbeitspferde einzuführen, und zwar vor allem erstklassige Stuten, die eine Garantie dafür sind, daß der Landwirtschaft das einheitliche und zu jeder Arbeit verwendbare Pferd sichergestellt und dem Landwirt damit ein brauchbarer und nützlicher Arbeitskamerad gegeben ist. Um dieses Ziel zu erreichen, müßte aber, wie schon erwähnt, eine Organisation von Züchterverbänden geschaffen werden, die nicht nur theoretisch und bürokratisch aufgebaut sein dürfte, vielmehr wirklich die' systematische Hebung der Pferdezucht in Österreich als ihre Aufgabe ansehen müßte.

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