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Alle drei großen monotheistischen Religionen kennen die Auseinandersetzung um Bilderverbote. Was - aktuell - rund um die dänischen Mohammed-Karikaturen weltweit eskalierte, weist auf eine Jahrtausendgeschichte - für und wider das Bild. klaus davidowicz übers so genannte "Bilderverbot" im Judentum (Seite 22). hans förster: Warum sich im Christentum das Bilderverbot (fast) nicht durchsetzte (Seite 23). jameleddine ben-abdeljelil: Kein Bild von Gott und den Propheten (Seite 24). Redaktion: Otto Friedrich Bilderverbote sind nicht unbedingt Ladenhüter religiöser Repertoires. Heutige Bilderfluten provozieren dazu, die "Erlaubtheit" mancher Bilder in Frage zu stellen.

Im Anfang das Bild": So der Titel eines neu erschienen Bandes mit (evangelischen) Predigten und Meditationen zu 15 Bildern der klassischen Moderne, von Max Ernst bis Joseph Beuys.

Die religiöse Provokation dieses Titels scheint auf den ersten Blick nicht bewusst zu sein. Den drei abrahamitischen Weltreligionen ist jedenfalls eine Skepsis gegenüber dem Bild gemein, die mit der Identifizierung des Bildes als Götzendienst einhergeht: Judentum und Islam kennen von daher Verbote zumindest für bildliche Gottesdarstellungen, im Christentum siegte letztlich die Volksfrömmigkeit über die theologischen Bedenken.

Dennoch erlebt auch die Gegenwart religiöse Bilder-"Skandale" - nicht zuletzt unter den Vorzeichen von "Blasphemie": Im leidlich kommentierten "Karikaturenstreit" war es eine xenophobe Provokation, welche bewusst die muslimische Bilderzurückhaltung angreifen und ausreizen sollte - mit den bekannten Folgen.

Auf christlicher Seite ist man - wenn auch nicht gepaart mit ähnlich globaler Empörung - gleichfalls immer wieder mit dem Blasphemie-Vorwurf zur Stelle, etwa jüngst in Salzburg, als es um eine Performance-Provokation am Karfreitag in Form der Kreuzigung einer (dann doch nicht) nackten Frau ging.

Die Frage des Bildes

Zusammenfassend können derartige Bilder-Erregungen unter das Thema "Entwürdigung" subsumiert werden, die in einer Gesellschaft, welche ihre Wahrnehmung (und auch den Diskurs) zunehmend, wenn nicht gar weitgehend über Bilder konstituiert, weit über den unmittelbaren religiösen Kontext hinausgeht. Die Frage des Bildes, und die Frage der Erlaubtheit des Bildes (also der Umkehrung des Bilderverbots) steht auch in der säkular(isiert)en Gesellschaft auf der Tagesordnung.

Man nehme etwa ein "klassisches" Beispiel jüngerer Entwürdigung durch Bilder: die Aufnahmen aus dem Abu Ghraib-Gefängnis in Bagdad. Eine der unappetitlichsten Aufnahmen, die da um die Welt gingen, war die jener amerikanischen Soldatin, die ihren irakischen Gefangenen nackt und an einer Art Hundeleine angebunden hielt. Abgesehen von der Aggression, die dieses milliardenfach verbreitete Bild bei jenen auslöste, die sich mit dem gedemütigten Gefangenen identifizierten, stellte das Bild eine doppelte Entwürdigung dar - nicht nur die des nackten Opfers, sondern auch der Täterin, die an den globalen Pranger kam.

Keine Frage, die Vorkommnisse von Abu Ghraib wurden erst durch die Bilder zum Skandal. Doch auch wenn man zugesteht, dass diese Bilder zur Aufdeckung einer historischen und/oder politischen Wahrheit nötig waren und der Veränderung unhaltbarer Zustände dienen können, so bleibt die Frage, warum diese Bilder wieder und wieder gezeigt wurden (und werden).

Das Faktum der Misshandlungen in Abu Ghraib ist längst bekannt. Wem nützt es, diese Bilder aufs Neue - und vor allem: unbedacht - in die Welt zu setzen?

All das Schreckliche

Man kennt auch die Fotografien und Filme von den Leichenbergen, die sich den Befreiern der Konzentrationslager 1945 dargeboten haben. Auch diese Bilder dokumentierten das Schreckliche. Aber die historischen Tatsachen sind längst erwiesen: Das Informationsbedürfnis wird durch die Bilder nicht befriedigt, höchstens der Voyeurismus einer nach Leid und Entwürdigung gierenden Betrachterschaft. Warum aber, wird jede noch so mickrige TV-oder Printmedien-Meldung über die Schoa mit den einschlägigen Bildern illustriert, die keine neuen Erkenntnisse bringen, aber die Entwürdigung der darauf Abgebildeten vervielfachen?

Die - religiösen - Bilderverbote wurden und werden mit der Undarstellbarkeit Gottes argumentiert. Die Schoa etwa ist gleichfalls nicht darstellbar. Das Leid Verhungernder - auch die ein "beliebtes" Bild zur Illustration einschlägiger Nachrichtensendungen - ebenfalls nicht.

Es wäre also an der Zeit, die Auseinandersetzung nicht über Bilderverbote, sondern über die Erlaubtheit mancher Bilder anzuzetteln. Wer die alten Götzenbilder ablehnt, wird dem neuen Götzen Bild auch nichts abgewinnen dürfen.

"Im Anfang das Bild" - so die religiöse, aber auch gesellschaftliche Provokation. Es könnte gut sein, dass diese Mediengesellschaft am Ende die Bildarmut predigt.

Weil ihre Bilder viel mehr verschweigen und belügen, anstatt die Wahrheit offen zu legen.

IM ANFANG DAS BILD

Predigten und Denkanstöße zu moderner Kunst

Von Hans Werner Dannowski und Gabriele Sand. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2006 152 Seiten + CD-ROM, brosch. e 20,50

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