Vom Gebot: Du sollst dir kein Bild machen

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Ikonoklasmen, Bilderstürme, durchziehen die Menschheitsgeschichte. Von der Exodusgeschichte, der Gründungserzählung der modernen Zivilisation an, tobt der Streit um das Bild und seine Auslöschung. Er reicht bis in die Auseinandersetzungen der unmittelbaren Gegenwart.

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Ikonoklasmen, Bilderstürme, durchziehen die Menschheitsgeschichte. Von der Exodusgeschichte, der Gründungserzählung der modernen Zivilisation an, tobt der Streit um das Bild und seine Auslöschung. Er reicht bis in die Auseinandersetzungen der unmittelbaren Gegenwart.

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Nimrud. Weltkulturerbe a. D. 2015. Bilder und Videos aus dem Dunstkreis der Terrororganisation Islamischer Staat zeigen, wie die Skulpturen und Gebäude der antiken Stadt zerstört werden. Götzenbilder, so die Textierung dazu. Die Macht der Bilder ist so groß, dass sie vernichtet werden müssen. Bilderstürme durchziehen die Kultur- und Religionsgeschichte.

2003, Firdos-Platz in Bagdad. Die siegreichen US-Truppen stürzen das Denkmal des Diktators Saddam Hussein. Die Delegitimierung des Herrschers wird durch den Bildersturm ebenso symbolisch wie augenfällig. Ähnliches fand vor 70 Jahren im besiegten Nazi-Deutschland statt: Am 25. April 1945 sprengten die amerikanischen Truppen das Hakenkreuz-Emblem auf dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg.

Im Jahr 2001 wurden im afghanischen Bamiyan-Tal die monumentalen, in den Fels gehauenen Buddha-Statuen von Taliban-Kämpfern vernichtet. Auch hier wurde die Bekämpfung von Götzenbildern als Begründung für den Vandalismus nachgereicht.

Wo Bilder sind, gibt es Bilderstürme

Wo Bilder sind, gibt es Bilderstürme. Der Ikonoklasmus gehört zur Menschheitsgeschichte: "Keines der anderen kulturellen Symbolsysteme", schreibt der Bild-Theoretiker Gottfried Boehm in seinem Buch "Wie Bilder Sinn erzeugen" - "nicht die Schrift, nicht die Zahl, die Musik nicht und auch nicht der Tanz" seien in ähnlicher Weise wie das Bild "dem Gebot grundsätzlicher Auslöschung ausgesetzt gewesen".

Das Bilderverbot steht an der Wiege der modernen Zivilisation. Wie der Ägyptologe und Kulturtheoretiker Jan Assmann kürzlich in seinem wirkmächtigen Buch "Exodus. Die Revolution der Alten Welt" klar und überzeugend dargelegt hat, kann die biblische Exodusgeschichte als die Gründungserzählung der modernen Welt gedeutet werden (vgl. FURCHE 14/2015). Auch in dieser Erzählung über den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten spielt das Bilderverbot eine markante Rolle: Gott schließt mit seinem Volk einen Bund, der am Sinai durch die Übergabe der Zehn Gebote an Mose besiegelt wird. Und dort heißt es gleich zu Beginn: "Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott."(Ex 20,4f)

Gleichzeitig berichtet das Buch Exodus vom Volk, das gemeinsam mit Moses Bruder Aaron einer kultischen Bilderverehrung frönt, die in der Geschichte vom Tanz ums Goldene Kalb beschrieben wird. Hier ist bereits jene Spannung angesprochen, die die Kulturgeschichte der Menschheit seither durchzieht: Im rabbinischen Judentum hat sich die strikte Einhaltung des biblischen Bilderverbots, das überdies mit der ebenso strikten Einhaltung der Unaussprechlichkeit des Gottesnamens einhergeht, erhalten.

Der Kampf um Bilder durchzieht auch die Christentumsgeschichte: Bilderstürme gab es in der byzantinischen Zeit, in den frühmittelalterlichen Auseinandersetzungen um die Ikonenverehrung unterlagen die Bilderstürmer -Ikonen stellen bis heute bekanntlich ein wesentliches Merkmal ostkirchlicher Spiritualität dar. Im Westchristentum war die Reformation im 16. Jahrhundert eine Zeit der Bilderstürme. Vor allem in den von Calvin und Zwingli geprägten Strömungen wurden - wieder mit dem Verweis aufs Bilderverbot der Zehn Gebote -Kirchen von Gottes und Heiligendarstellungen leergeräumt. Als säkulare Ableger davon können die Denkmalstürme bis heute angesehen werden.

Im Islam ist das Bilderverbot gleichermaßen von großer Relevanz, wenn auch dessen Absolutheit weniger ausgeprägt ist, als aktuelle religionspolitische Auseinandersetzungen glauben machen. Aber dass Gott jede menschliche Vorstellungs-und Darstellungskraft übersteigt, ist selbstverständliche Glaubensüberzeugung der Muslime.

Religiöse und säkulare Ikonoklasmen

Die Ablehnung von Götzenbildern ist gerade im islamischen Kontext bis heute ein brisantes Thema und steht für strenggläubige Fromme immer wieder in Widerspruch zur modernen Bilderwelt. Die bereits angeführten Zerstörungen bildlicher Darstellungen aus anderen geschichtlichen Kontexten durch radikale Muslime werden oft mit der Götzenbildfrage erklärt. Dazu kommen die als Affront bis Sakrileg wahrgenommenen bildlichen Verspottungen der Religion und des Propheten, die seit Jahr und Tag die Kontroverse zwischen islamischer und westlicher Welt prägen. Vom dänischen Karikaturenstreit 2005 bis zu den Mordanschlägen gegen die Pariser Zeitungsmacher von Charlie Hebdo vom Jänner 2015 zeigen von der destruktiven Macht, die rund um Bilder zu finden ist.

Das Bilderverbot, das von der Exoduserzählung her bis heute wirkt und seit damals in Spannung zur Bilderverehrung (Goldenes Kalb) steht, hat aber auch abseits direkt religiöser Konnotation seine Bedeutung. So kann die Bildlosigkeit auch als Reaktion auf die überbordende Bildwelt, ja sogar als eine Art Katharsis derselben gelten.

Bild-Theoretiker Gottfried Boehm beschreibt im angeführten Buch gar eine ikonoklastische Bildpraxis, also eine Kunst, die sich bewusst vom landläufigen Bild als Darstellungselement abhebt. Als Beispiele führt Boehm die Russen Wassily Kandinsky und Kasimir Malewitsch an, aber auch die Kreuzübermalungen eines Arnulf Rainer, denen er attestiert, die christliche Ikonographie zu negieren, "um sie gerade dadurch zu aktualisieren". Des weiteren nennt Boehm auch den Barnett Newman (1905-70), dessen Bildfelder auf vertikale Streifen reduziert erscheinen. Newmans "Kreuzweg", der gleichfalls nur aus vertikalen weißen bzw. schwarzen Flächen besteht, hält als ikonoklastische Verdichtung der in 14 Stationen das Sterben Jesu bebildernden, klassischen religiösen Bilddarstellung des Westchristententums her.

Der Freiburger Theologe Hansjürgen Verweyen spitzt im Sammelband "Frage-Zeichen. Wie Die Kunst Vernunft und Glauben bewegt", in dem auch viel über das Bild nachgedacht wird, den Ikonoklasmus auf eine - positiv konnotierte -religiöse Metaphorik zu, indem er darunter das kritische Hinterfragen von Gottesbildern und das Zerbrechen menschlicher Projektionen versteht.

Dennoch tritt hinter derartige, konstruktive Aufnahme des Motivs Ikonoklasmus in den gesellschaftlichen und künstlerischen Diskurs die drängende politische Frage, wie ein Umgang mit den eifernden gewalttätigen Bilderstürmern dieser Tage umzugehen wäre. Eine Lernerfahrung könnte der Versuch der ironischen Brechung sein. Als Beispiel dafür mag die Umdeutung einer stalinistischen Skulptur im bulgarischen Sofia herhalten, wo die Statuen des Denkmals der Roten Armee per Bemalung zu Ikonen der US-Popkultur - Superman, Santa Claus - verfremdet wurden (Bild links). Derartige Zugänge wünscht man sich auch in den gewaltgeprägten Ikonoklasmen dieser Tage. Dazu bedarf es allerdings auch des befreienden Zugangs durch Humor. Doch der war religiösen wie politischen Eiferern und Ikonoklasten bislang selten gegeben.

Wie Bilder Sinn erzeugen

Die Macht des Zeigens. Von Gottfried Boehm. Berlin University Press, 4. Aufl. 2015.228 Seiten, zahlr. Abb., geb., € 30,90

Frage-Zeichen

Wie die Kunst Vernunft und Glauben bewegt. Hg. Christian Wessely, Peter Ebenbauer. Friedrich Pustet 2014.494 Seiten, geb., € 51,40

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