burgerkingspain - © Screenshots: Twitter

Burger King: Spaniens Fast-Food-„Blasphemie“

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Mit einer provokanten Werbekampagne stellte eine US-amerikanische Schnellimbisskette das iberische Osterfest auf den Kopf. Ein Gastkommentar zu einem religionsbezogenen Aufreger und ein Plädoyer, den „Witz“ des Christentums nicht vorschnell zu übersehen.

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Mit einer provokanten Werbekampagne stellte eine US-amerikanische Schnellimbisskette das iberische Osterfest auf den Kopf. Ein Gastkommentar zu einem religionsbezogenen Aufreger und ein Plädoyer, den „Witz“ des Christentums nicht vorschnell zu übersehen.

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Die Empörung war groß, als der spanische Ausleger des US-Konzerns „Burger King“ seine neueste Plakatkampagne für neu ins Sortiment aufgenommene vegane Menüs präsentierte. Neben einem Bild mit der fleischlosen Imbissalternative setzten die Werbestrategen des internationalen Unternehmens auf biblische Anspielungen: In der Zeile „Nehmet und esset alle davon. Er enthält kein Fleisch“, wurde gezielt Anleihe bei den jesuanischen Einsetzungsworten im Rahmen des letzten Mahles mit seinen Jüngern genommen. Eine andere Variante des Werbegags bediente sich eines Zitates aus dem biblischen Schöpfungsbericht: „Fleisch von meinem Fleisch“ (Gen 2,23), wobei der Begriff Fleisch durchgestrichen und mit „pflanzlich“ überschrieben wurde (siehe Bilder oben).

Es dauerte nur wenige Stunden, bis die ersten Entrüstungswellen in den Sozialen Netzwerken und nationalen Medien losbrachen. „Blasphemie“ lautete einer der häufigsten Vorwürfe. Die Werbeaktion wurde kontrovers diskutiert, sie beherrschte die Nachrichten: Die Aufmerksamkeit war dem Burger-Riesen sicher, selbst wenn man sich später von der Werbekampagne öffentlich distanzierte, sich für die Verletzung religiöser Gefühle entschuldigte und die Plakatserie wieder einstampfte. Natürlich wurde der Zeitpunkt von den Urhebern dieser Kampagne gezielt gewählt. Im vorösterlichen Glaubens­modus lässt sich am Vorabend des wichtigsten christlichen Festes kaum einfacher Publicity generieren.

Wem gehört die Bibel?

Was sich hier in Spanien während der österlichen Bußzeit abspielte, spiegelt bei genauerem Hinsehen ein uraltes christliches Problem wieder: „Wem gehört die Bibel?“, „Wem gehört Jesus?“ und schließlich: „Wer hat die Deutehoheit über den christlichen Glauben?“ Dass biblische Zitate und Figuren außerhalb ihres Kontextes nicht nur innerhalb der klassischen Glaubensgemeinschaften verwendet und platziert werden können, hat nicht erst in der Filmgeschichte des 20. Jahrhunderts begonnen (Stichwort: „Das Leben des Brian“), sondern die Wurzeln reichen weit in die Religionsgeschichte zurück. Die Bezugnahme auf christliche Symbole, Personen und Inhalte steht seit jeher unter der scheinbar trennscharfen Unterscheidung von rechtgläubig (orthodox) und unzulässig (heterodox), wobei jedoch eben diese Linie in der Praxis keinesfalls so einfach zu ziehen ist. Weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart.

Neuinterpretationen, verschobene Perspektiven und Adaptionen von Glaubens-
inhalten hat es immer gegeben – zeitgleich mit ihnen sind auch Empörung, Widerstand und Verurteilungen omnipräsent in der Religionshistorie. Die entscheidende Frage jedoch ist, wie man damit umgeht.

Um eines vorweg klarzustellen: Man muss als gläubiger Mensch weder alle Witze über Religion, noch alle künstlerischen Anspielungen oder Inszenierungen gut und förderlich finden. Sie sind es bei Gott auch nicht alle. Es gibt tatsächlich Schranken für religionsbezogene Kritik, Humor und Verzerrungen. Nur: Diese Grenze ist so verschwommen, dass sie im Ernstfall nur individuell gezogen werden könnte: Was eine Person noch als lustig und humorvoll, kreativ oder inspirierend ansieht, kann für deren Glaubensgeschwister schon lange unerträglich sein. Dies wiederum bedeutet, dass die Gläubigen selbst in der Verantwortung stehen, einen Umgang mit ihnen nichtgefälliger Kunst und Religionsbezügen zu finden, der nicht in psychische oder physische Gewalt mündet. Dass nicht jede Handhabung biblischer Motive gefällt, scheint eine triviale Einsicht zu sein. Nicht trivial hingegen ist die Frage, wie man solchen, auf den ersten Blick verstörenden und empörenden Darstellungen begegnet. Hier entscheidet sich ein Gutteil christlicher Lebenspraxis, nämlich, im Angesicht der Entstellung die fundamentalen Werte und Gebote Jesu sowie die allen Menschen geschuldete Achtung selbst nicht zu ignorieren.

Vegane Burger-„Verkündigung“

Gibt es angesichts veganer Burger-„Verkündigung“ einen produktiven Weg, damit umzugehen? Können solche werbetechnischen Vereinnahmungen vielleicht sogar inspirierend sein? Bei genauerem Hinsehen dürfte sich genau das durchaus anbieten. Stellen wir uns die provokante Frage: „Was sagt dieser vegane Burger über das Christentum aus?“ Die Antworten könnten natürlich vielfältig sein. Sie reichen von möglichen Bezügen zur Tierethik, dem Umgang mit dem weltweiten Ernährungsproblem bis hin zu dogmatischen Fragestellungen in der christlichen Opfertheologie. Ja, genau das Zentrum christlichen Glaubens und der Umgang mit der Eucharistie könnten in dieser umstrittenen Werbekampagne thematisiert werden.

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