Nur ein ätherisches Gewerbe?

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Ein Ausflug in die käufliche Liebe der Welt als Weg zum Erwachsenwerden: François Ozon malt in "Jung und Schön“ ein distantes Filmbild, das durch die Darsteller(innen) lebendig wird.

"Die Prostitution ist nicht das zentrale Thema dieses Films. Es hätten auch Drogen sein können, Magersucht oder irgendetwas anderes.“ Solches ließ Regisseur François Ozon die Süddeutsche zu seinem neuen Film "Jung und Schön“ wissen. Wenn sich der Franzose und cineastische Frauenversteher par excellence eines Coming-of-Age-Stoffes annimmt, dann kommt "Jung und schön“ heraus: Isabelle, in durchaus wohlbestallten Verhältnissen aufwachsend, ist 17 und schön.

So schön, dass sie ihren Körper online um 300 Euro pro Meeting solventen Herren feilbietet. Als jedoch der soignierte Georges, der zum Dauerkunden geworden ist, in pikanter Lage das Zeitliche segnet, fliegt das abseits von Schule und Familie stattfindende Treiben auf. Letztere hatte keine Ahnung von Isabelles liebesdienerischem Schülerinnenjob - und vor allem Mama findet das entsprechend shocking.

Der deutsche Titel "Jung und Schön“ schillert viel weniger als das französische Original, denn "Jeune et jolie“ hieß auch ein französisches Magazin für heranwachsende Töchter; und das englische "Young and Beautiful“ weist auf den gleichnamigen Song von Elvis Presley hin - alles absichtsvolle Anspielungen. Ozon erzählt diese wilde, aber kühl bis ans Herz hinein dargestellte Geschichte in vier jahreszeitlichen Kapiteln -von Herbst bis Frühling - und korreliert diese mit vier altbekannten Schnulzen der Chansonnière Françoise Hardy.

Keine kritische Gesellschaftsdiagnose

Der Reiz, aber auch das Befremdliche von "Jung und Schön“, liegt an der völlig distanten Darstellung, mit der Ozon die minderjährige Prostituierte auf die Leinwand bringt: Jedweder moralische Zeigefinger ist diesem Regisseur fremd. Das aber impliziert, dass der Verkauf des eigenen Körpers durch eine Halbwüchsige nie hinterfragungswürdig wird, und dass die Freier jedenfalls einfühlsame reifere Herren bleiben, die niemals die Contenance verlieren könnten, auch wenn sie ihr Begehr nicht wunschgemäß erfüllt vorfinden.

Prostitution wird so zu einem ätherischen Gewerbe: Das mag der wirkliche Einwand gegen diese gar nonchalante Darstellung des Erwachsenwerdens mittels käuflicher Hingabe sein. Aber Ozon gibt immerhin nicht vor, einer (kritischen) Gesellschaftsdiagnose das Wort zu reden.

Die Authentizität des Settings liegt aber auch an der Besetzung: Die bislang vor allem als Model bekannte Marine Vacth ist nicht nur wirklich schön (und jung), sondern trägt das besagte Ätherische bis ans Filmende durch. Ihre ahnungslose und dann am Boden zerstörte Mutter Sylvie verköpert Géraldine Pailhas gleichfalls grandios. Von den Herren der Schöpfung ist vor allem Johan Leysen als Freier Georges besonders hervorzuheben. Und als dessen Frau Alice darf Charlotte Rampling einen bravourösen Kurzauftritt hinlegen, der gleichwohl zu den Highlights dieses Films zählt.

Natürlich ist die Anmutung von "Jung und Schön“ auch lang bekannt. Man kann den Film durchaus als Hommage an Luis Buñuels "Belle de jour“ verstanden wissen. Damals, 1967, war Catherine Deneuve die biedere Ehe- und Hausfrau, die sich nachmittagsweise an andere Herren verdingt. Die große französische Mimin wurde lange Jahre vor allem mit dieser Rolle identifiziert. Es wäre wenig verwunderlich, wäre Marine Vacth ein vergleichbares Schicksal beschieden.

Jung und Schön (Jeune & jolie)

F 2013. Regie: François Ozon. Mit Marine Vacth, Géraldine Pailhas, Frédéric Pierrot, Johan Leysen, Charlotte Rampling. Filmladen. 93 Min.

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