Partnertausch mit Pathosfallen

Werbung
Werbung
Werbung

Paul Claudels Drama "Der Tausch" in altbackener Übersetzung bei der Wiener "Gruppe 80".

Gott schreibt gerade, auch auf krummen Zeilen" ist das Motto für Paul Claudels (1868-1955) Stück "Der seidene Schuh" und scheinbar auch für sein 1893 entstandenes Stück "Der Tausch", zur Zeit am Spielplan des Theaters "Gruppe 80". Die zu Lebzeiten vielgespielten Werke gelten mittlerweile als antiquarische Theaterraritäten und standen in den letzten Jahren selten auf den Spielplänen deutschsprachiger Bühnen .

"Gruppe 80"-Hausherrin Helga Illich überprüft nun Claudels Analyse der Beziehungsmechanismen auf ihre Aktualität, ohne verkrampfte Modernisierungen orientiert sie sich mit Claudel an der Frage nach dem Wert des Lebens. Zwei Paare an der Ostküste von Süd-Carolina begegnen einander in ihrem gemeinsamen Gefühl der Leere - der "Tausch", ganz eindeutig auch als Partnertausch gedacht, soll eine bessere Zukunft ermöglichen. Das Erscheinen des Geschäftsmannes Thomas Pollock bringt den Konflikt in Gang: In seinem Glauben, dass Menschen käuflich sind, bietet er seinem träumerischen Bediensteten Louis Laine Geld für dessen attraktive Frau Martha - Geld, das für den Idealisten Louis Freiheit aus seiner unbedacht eingegangenen Ehe bedeutet, Flucht vor Verantwortung und Erwachsenwerden. Thomas Pollocks Frau Lechy Elbernon wiederum für den Businessmann schlicht Vertragspartnerin - sucht im stürmischen Louis einen Verehrer ihrer maßlosen Eitelkeit, einen Zuschauer ihrer unstillbaren Gefallsucht.

Paul Claudel hat das dreiaktige Prosadrama in seiner Zeit als Diplomat in den USA verfasst, sieben Jahre nach seiner Glaubenserfahrung während der Weihnachts-Vesper in Notre-Dame, der heftige Zweifel und innere Kämpfe folgten, die in der Figur der Martha ihre literarische Entsprechung fanden. Sie ist ihrem Geliebten in die "neue Welt" gefolgt, in eine Ordnung des Kapitalismus und maßlosen Konsums, der grenzenlosen Eitelkeiten und Begierden. In Claudels Dramaturgie der "weißen" und der "roten" Frauen vertritt sie das Sinnbild der Unschuld, Antagonistin von Lechy Elbernon, die ihre Wollust mit Liebe verwechselt. Monika-Margret Steger verschlingt den naiven Louis in ihrer roten Haarmähne, exzentrisch im schwarzen Korsettkleid (Kostüme: Mimi Zuzanek), lässt sie hinter ihrer Schauspielerinnenkarriere eine dubiose Vergangenheit vermuten. Helga Illich inszeniert das Quartett als Allegoriensammlung in der unglücklich gewählten, altbacken anmutenden Übersetzung von Franz Blei. Sprachliche Pathosfallen wie "Oh Schmach", "Oh Hass", "Oh Schande" jagen einander in der gekürzten Spielfassung, und die Schauspieler stolpern prompt hinein. Roman Hemetsberger büßt recht blass als romantischer Freiheitskämpfer den Liebesverrat mit seinem Leben: Ariane Payer stellt aufopfernde, einfältige Liebe zur Schau, ohne Marthas Suche nach der eigenen Wertigkeit in einer beziehungslosen Konsumgesellschaft nachzugehen. Im realistischen Interieur (Bühne: Judith Leikauf/Karl Fehringer) ist Thomas Kamper als schmieriger Moneymaker grotesk-ehrlicher Hoffnungsträger, der schließlich in der Farbfernsehidylle des Sonnenaufgangs über seinen eigenen Schatten springt. Claudels Stücke bleiben Theaterjuwele, die jede Regie auf einen harten Prüfstand stellen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung