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Gert Jonke-Uraufführung am Akademietheater: "Die versunkene Kathedrale".

Wunderbar ist diese Uraufführung auf vielen Ebenen, zuerst einmal, weil Jonke einer Sage folgte, die von einer versunkenen Stadt im Wörthersee erzählt. Die Bewohner dieser Stadt machten sich schuldig, weil sie übermütig waren und das Osterfest missachteten. Darüber öffnete sich der Himmel, um den Frevel im Regenwasser zu begraben, und dieses wiederum soll den heutigen Wörthersee ausmachen.

Der erste Teil spielt in einer Einbauschrank-Wohnung (Bühne und Kostüme: Maria-Alice Bahra), vielleicht ist es auch eine Kajüte, die mit der Welt durch einen Aufzug verbunden ist. Die Bewohner: ER (Markus Hering), bizarrer Seenforscher, der sämtlichen Gewässern Proben zur Überprüfung des jeweiligen Uringehalts entnimmt. SIE (Petra Morzé), exaltierte Tochter eines Hotelkettenbesitzers.

Markus Hering spielt diesen wunderbar komisch gezeichneten Zwangsneurotiker als schrulligen, großen Buben, der aus seinem Pyjama genauso wenig wie aus seiner engen Mutterbeziehung herauskommt. Diese Mutter (Bibiana Zeller) darf dann im zweiten Teil auftreten, im Jeans-Look und ihrer Lebenslust ist sie die Jüngere im Geiste. Auf der Hochzeit ihres Sohnes hat sie sich in den Vater der Braut (Peter Mati´c) verliebt. Die Welt ist eben verkehrt. Doch zurück in den ersten Teil, wo SIE und ER sich in einen Streit der Wörter verstricken, in ein Jonkesches Spiel der Reime: "Absud", schilt SIE ihn "Disput, Sterz, Schmerz, Homunculus mit Pferdefuß! Glosse, Flosse mit Sommersprosse! Gitter, Knitter und Transmitter! Kompott, Komplott!", während sich das Einbau-Bett davonmacht. Im Übermut erstarren die beiden. Zwei (echte!) Gänse mit gestutzten Flügeln brechen diese absurde Situation ins Triviale und lauschen an der Rampe des Akademietheaters dem Xylophonspiel der Orchester-"Besatzung".

Die Musik unterstützt alle Jonke-Werke, ist Thema, Ausgangsbasis, Movens. In Pohles Regie wird das Glockenspiel der versunkenen Kathedrale zum Rhythmus ihrer Inszenierung.

Im zweiten Teil beansprucht die Musik dann auch vehement ihre Rolle. "Ach, es geht mir so schlecht", singt ein Patient der geriatrischen Abteilung, als deren schrägster Insasse sich Oberarzt Dr. Körper entlarvt: Dietmar König spielt ihn als Karikatur auf alle Erlösungs-Verkünder, als skurrilen Heiler der Pflanzen und Dinge, "der Bügelfalten, die ihren Hosen die ewige Treue geschworen haben".

Die Welt ist ja doch nichts anderes als eine Irrenanstalt, deren liebenswertester Verrückter ein Pianist der Stille ist. In Urs Heftis Klavierspiel ohne Ton findet die Inszenierung einen ihrer wunderbarsten Momente.

Pohle versteht es, die Illusion eines Außerhalb von Raum und Zeit zu behaupten, um sie sogleich wieder zu entlarven. Ein Prediger (bodenständig: Martin Schwab) holt die einsamen Figuren vom Ufer ab (ein Video zeigt den Autor mit dem Ensemble am Ort) und führt sie direkt in Jonkes Atlantis der Poetik hinein.

Jonkes "Wörtersee" wird wunderbar wie nie zuvor in phantastischen Theater-Bildern sichtbar, die am Ende in den Video-Wellen des Wörthersees versinken. Einen so zarten und eindeutigen Erfolg hat nur er sich verdient.

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