Werbung
Werbung
Werbung

Monique Schwitters Erzähldebüt liegt am Puls der Zeit und ist dennoch angenehm unzeitgemäß.

Monique Schwitters Erzählungen zeichnen sich durch mancherlei aus, was an der PopLiteratur bleibend gefällt, ohne dieser zuzurechnen zu sein: Das Tempo, das betont Unprätentiöse und das Urbane bestechen, während beispielsweise die in der Pop-Literatur beliebte Unart zahlloser Listen betreffend der Leser unbehelligt bleibt, nur einmal mit aufgezählten Handlungsoptionen der Ich-Erzählerin konfrontiert wird.

Monique Schwitter (*1972) legt also ein Debüt am Puls der Zeit vor, das doch angenehm unzeitgemäß ist. Das liegt auch und vor allem daran, dass hier kaum etwas Selbstzweck ist; vielmehr haben alle Details ihre Rechtfertigung aus der Sprach- und Erzähllogik - bis hin zum Titel, worin die knappe Verabredung zur Unsinnspoesie kristallisiert: Treffen solle man einander, und zwar im Tiergarten: "Wenn's schneit beim Krokodil", das löst also allerlei Imaginationen über Heimat und Entfremdung aus, meint aber nur: Bei Schneefall wolle man einander im warmen Terrarium treffen, sonst beim Kamel im Freien ...

Um Heimat und Entfremdung geht es denn auch ständig, dagegen natürlich nur am Rande um Tiere, wiewohl die Autorin schon mit Lust am Exotischen die Geschichte des afrikanischen Apothekerfroschs ausbreitet, der einst als Schwangerschaftstest herhalten mußte. Heimat aber kann ja nur so, nämlich: vermittelt aufscheinen - ist sie doch etwas, das Bloch zufolge "allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war"...

Um die Ecke erzählt

Um die Ecke wird hier also erzählt, und außerdem von Personen, die spielen - mit allem Ernst, aber doch; was Wunder, wenn im Zentrum eben der Irrealis der Heimat steht, der schon Eichendorff das seitdem vielfach bewährte Alsob abnötigte: "Und meine Seele spannte / Weit ihre Flügel aus, / Flog durch die stillen Lande, / Als flöge sie nach Haus." So sitzen zwei junge Frauen beieinander, geben einander Indianernamen und reden oder stottern von der Liebe - und davon, ob man auch mit Frauen schon Erfahrungen habe, wobei es hier die Satzzeichen sind, die den Realitätsgewinn um die Ecke ermöglichen, wird doch aus der geplanten Erwiderung "Keine. Punkt." die Replik: "Keine Komma, Fragezeichen."

So wird der Leser zur Reise eingeladen: mitten durch die Aporien, wo es also eigentlich keinen Durchgang geben dürfte, aber die an Zwischentönen reiche Sprache von Monique Schwitter (die die ihr selten unterlaufenden Ausflüge in einen Slang zweiter Hand nicht nötig hätte) sich doch ihre Bahn findet. Manchmal wie das männliche Gegenüber einer der Frauen: "Er weicht den Schlaglöchern nicht aus", so heißt es von der Autofahrt: "Ich habe sogar den Eindruck, daß er absichtlich auf die Löcher zusteuert." Manchmal wie die junge Frau, die auf eine anonyme Verabredung hin akribisch jeden Tag bis zu jenem 1. Januar zum Zoo (eben zu Krokodil und Kamel) pilgert, am Tag der Verabredung aber "vielleicht besser nicht"...

Kleine und große Träume, kleine und große Katastrophen, durch sie hindurch erkundet Schwitter das Denk- und Sprachmögliche, ihre Geschichten sind Sensoren für die Lebbarkeit. Sie sind auch das, was sie beschwören - jene andernfalls erlogene Heimat, keine der Eigentlichkeit, sondern eine der eigenen Antwort auf allerlei doch fremd bleibende Fragen. Leben bedeutet hier schließlich, zu erzählen - und das Erzählen ist umgekehrt quicklebendig oder, verdankt man Epikurs Satz, dass der Tod uns nichts angeht, doch "die fröhlichsten Stunden", quicktot. Fazit: Lesenswert. Punkt.

Wenn's schneit beim Krokodil

Erzählungen von Monique Schwitter

Droschl Verlag, Wien 2005

184 Seiten, geb., e 19,-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung