Salonfähige Blasphemie

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Nebulose Uraufführung von Franzobels "Wir wollen den Messias jetzt" im Wiener Akademietheater.

Würde sich Kardinal Schönborn zur jüngsten Uraufführung des Wiener Akademietheaters äußern, die ihm vermutlich noch mehr Unbehagen als die Karikaturen Josef Haderers bereitet, wäre das die einzige pr, die dieser matten Produktion helfen könnte. Was Stefan Griebl alias Franzobel, einer der begabtesten Wortklingler unter Österreichs Literaten, da unter dem Titel "Wir wollen den Messias jetzt oder Die beschleunigte Familie" auf die Bühne gebracht hat, ist eine jener Blasphemien, wie sie längst salonfähig geworden sind: Nicht Jesus Christus selbst kommt vor, aber Bibeltexte und christliche Symbole - insbesondere Kreuze - werden gnadenlos verwendet, gewendet und letztlich für eine Aneinanderreihung von Gags missbraucht. Dass die Thematik Sehnsucht nach Erlösung, Interesse an Religion wieder in ist, hat der Autor erkannt, aber mehr als ein Sammelsurium von abgestandenen Provokationen und Assoziationen - Konsum auf allen Linien bis zur Sodomie in der Sexualität -, ist ihm dazu nicht eingefallen.

Abgestandene Provokation

Karin Beiers Inszenierung beginnt mit Nebel, der sich von der Bühne in den Zuschauerraum ausbreitet. Sie macht das beim Theater des Absurden, aber auch bei Filmemachern à la Monty Python Anleihen nehmende Stück, dessen Rohfassung im Programmheft steht, eine Spur erträglicher, aber auch das Nebulose daran greifbar. Vor einem Hintergrund von Wurstscheiben (Bühne: Thomas Dreißigacker) treten die Akteure in meist karikierenden Kostümen (Elke Gattinger) auf. Ein Plus ist die begleitende Blasmusik (Jörg Gollasch).

Das Drama spielt zur Weihnachtszeit "am Vorabend des Krieges zwischen den Realisten und den Abstrakten in einer üppigen Villa im Reichenghetto" und präsentiert eine unheile, teilweise Nazi-Züge tragende Familie: Der Vater (Bernd Birkhahn) ist blind und hat, wie sich später herausstellt, die inzwischen an Krebs gestorbene Tochter Christiane missbraucht. Mit deren nun um das Erbe feilschendem Witwer Jakob (Johannes Krisch) beging die Mutter (Kirsten Dene) am Totenbett der Tochter einen Seitensprung. Im ersten Stock logiert der fettleibige Sohn Jesus (Joachim Meyerhoff), eher Pornofilmen als seiner nach Romantik und Zärtlichkeit lechzenden Gattin Caroline (Christiane von Poelnitz) zugetan.

Welch ein "Geniestreich": Eine "geile Alte", die ein vorher als Schutzengel auftretender Mann (Roland Kenda) spielt, wird just in dem Augenblick, als Jesus es mit ihr treibt, zur Stimme Gottes und entfacht in Jesus, der sich urplötzlich seines Wanstes entledigt, messianische Gefühle.

Action und Kalauer

Und damit nimmt das Schicksal, in dem noch die muslimische Möchtegern-Selbstmordattentäterin Raja (Meriam Abbas), ein eher Konfusion als Klarheit in die Handlung bringender "Slawist" (Michael Masula) und ein polnisches Dienstmädchen namens Magdalena (Barbara Petritsch) mitmischen, seinen aktionsreichen, jeden Anflug von Tiefgang aber sofort mit einem Kalauer oder einer Geschmacklosigkeit vernebelnden Lauf. Am Ende kreuzigt sich Franzobels Jesus, nachdem er Gleichnisse von Omamas erzählt und gegen Chiquita und Nike gewettert hat, unter Einsatz von viel roter Farbe selbst, verlässt aber letztlich lebend mit dem Aufruf zum Zivildienst die Bühne.

An der Besetzung gibt es nichts auszusetzen, Joachim Meyerhoff und Christiane von Poelnitz ragen besonders heraus. Das Premierenpublikum klatschte zum Großteil ausgiebig, zum Teil aber gar nicht.

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