Sprachknödelnder Schulterschluss der Klischees

Werbung
Werbung
Werbung

Mit dem Tiroler Freiheitskampf vor 200 Jahren setzt sich das Sommertheater Hall auseinander: Autoren sollten ihren Blick auf Tirol theatralisch umsetzen.

Das Gedenken an den Tiroler Freiheitskampf vor 200 Jahren verursacht im Land der Gebirge einen kulturellen Wildwuchs, der von der Landesregierung selbst gesät worden ist: Ging der Aufruf zur Aktivität doch planlos an die Vereine und Veranstalter. Aus dem Wucher, dicht und üppig wie Andreas Hofers Bart, ragen einzelne kreative Ideen, die das Zeug haben, per se zu überdauern und zunächst einmal das Bild, das die Tiroler Befreiungskämpfe von 1809 und Kommandant Hofer mythisch verbrämte, zurechtzurücken. Wie sehr dieses Bild in die Köpfe eingebrannt ist, zeigt das Strandgut der Gedenkjahr-Programmflut.

Auf dem Theatersektor machte „Super Andi“ von Bernhard Aichner von sich reden, ein Videospiel mit lebendigen Menschen namens Super Andi, Raffl und Haspinger. Das Jugendstück wurde vom Tiroler Landestheater in Auftrag gegeben.

Das Sommertheater Hall holte nun Stellungsnahmen von außen ein. Autoren unterschiedlicher Generationen aus allen österreichischen Bundesländern sollten ihren sehr persönlichen Blick auf das Land Tirol und sein heuriges Gedenkjahr theatralisch umsetzen. Alexander Kratzer inszenierte das Projekt „tirol hoch 9“ im Innenhof der Haller Burg Hasegg, und das Schicksal wollte es, dass Julia Gschnitzers Absage ausgerechnet den Tiroler Anteil, einen Text von Händl Klaus, aus dem Aufführungsreigen hinaussprengte. Statt dieses Beitrags liefern neun Tiroler Autoren Statements, die nachgereicht werden.

Hofer würfelt mit Tyrolia

Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung – alles hat Platz in dieser Textsammlung. Kammerstücke sind es zumeist, die des mittelalterlichen Freilichtambientes nicht bedürften, theatralischer inszeniert ist erst das Finale, Franzobels „Kleine Tiroler Schöpfungsgeschichte“. Die erzählt der Wallnöfergeist, und dann würfeln Hofer und Tyrolia um ihre Vereinigung. Auch Antonio Fian („Meloni“) mag’s deftig, sein Hofer heißt Stocker und meuchelt einen pseudo-italienischen Weiberhelden, denn „Walsch ist keine Sprache. Walsch ist das Bellen des ewigen Verrats“. Wolfgang Hermann lässt ein deutsches Urlauberpaar auf die „Gespenster“ Hofer, Haspinger und Speckbacher treffen, Margret Kreidl fordert, was tatsächlich schon viele Tiroler seufzen: „Einmal muss Schluss sein.“ Vorher hat sie ein paar saftige Fürbitten parat, „gegen privilegierte Asylanten und militante Zivildiener“ zum Beispiel. Raffiniert March Hölds „Flachlandberge“, wenn ein Berge-Verkäufer einem Partisanen den Bergisel andreht.

Witz und Pointe sind da reichlich versammelt, es kommt zum Schulterschluss der Klischees. Ohnehin schon zum Gotterbarmen, wie das Heilige Land sprachknödelnd, stutzenschwingend und haxenwerfend, aufmarschierend, jodelnd und in touristischer Prostitution sich selbst präsentiert und wie einheimische Kabarettisten ebendiese Bilder karrierefördernd weitertragen. Nichts anderes wird in Hall, mehr oder minder literarisch bemäntelt, aus der großen, weiten Welt in den Burghof zurückgeworfen.

Die Ausnahmen: Zu konstruiert ist „Anna und Lukas“ von Marianne Strauhs, immerhin kritisch bemüht mit einigen schönen Sätzen Angelika Reitzers „Tirol-Connection“. Dimitré Dinev öffnet als einziger mit „Das Versteck“ für zwei Bettler einen Kosmos an Hintergründigkeit.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung