Freiheitskämpfer für alle Lebenslagen

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Um das Leben und Wirken des Tiroler Volkshelden dreht sich die Ausstellung "Hofer Wanted" im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum. Die Schau wirft einen kritisch-spektakulären Blick auf Andreas Hofer und einen ironischen auf dessen Vermarktung.

"Mander, 's isch Zeit!" Mit diesen Worten rief Andreas Hofer, Freiheitsheld der Tiroler, zum Widerstand gegen Napoleon auf. Gab es zu wenig scharfe Munition, griffen Schützen und Bauern zu Sensen, Mistgabeln und zu den mit Eisenspitzen bewehrten Morgensternen. Das geschah anno 1809. Eine Jahreszahl, die noch heute die Herzen der Älpler gewaltig anrührt: Die Schlacht am Berg Isel, Andreas Hofer, der kämpferische Sandwirt aus dem Passeiertal, sein Aufstieg und Niedergang "zu Mantua in Banden". Zwei Jahrhunderte ist es her. Nichts ist vergessen, wenn vieles auch umgewandelt wurde, wie es "Hofer Wanted" im Tiroler Landesmuseum aus mancherlei - auch schrägen - Blickwinkeln heraus kritisch-spektakulär dokumentiert. So ist diese Schau nicht nur glorreiche "Helden-Ausstellung", sondern vor allem tolles Museumsereignis (zum Großteil aus den Beständen der Tiroler Landesmuseen), das unter anderem darauf hinweist, wofür der Wirt, Viehhändler und Kommandant der Passeier Schützen im Laufe der vergangenen Jahrzehnte im Namen der Freiheit, der Politik, der Kunst, des Tourismus, der Werbung et cetera gebraucht, teilweise auch missbraucht wurde. An vorderster Front des Getümmels in der musealen Kampfarena: Kuratorin Claudia Sporer-Heis.

Braves Schulkind, rebellischer Verteidiger

Zwischen kulissenartigen Gebirgszacken starten wir - nach einem Blick auf Martin Gostners vieldeutige Wattearbeit "Matrix Mantua" - die Spurensuche nach dem Menschen, der Andreas Hofer höchstwahrscheinlich wirklich war. Der junge Ander ist einer von den ganz Frühen, die, der mariatheresianischen Schulordnung gehorchend, zur Schule marschieren. Daher kann er gut schreiben und lesen - da liegt ja ein Brief von ihm! Gottesfürchtig betet er im häuslichen Herrgottswinkel, den wir in der Ausstellung geradezu andachtsvoll nachgebildet sehen. Er übernimmt das verschuldete Wirtshaus seines Vaters, treibt Wein- und Pferdehandel, heiratet die tüchtige, wohlhabende Anna (von der die Historie üblicherweise wenig bis nichts berichtet) und übt sich als Scharfschütze. Neugierig spähen wir in die Wirtsstube und entdecken vielerlei Erinnerungsstücke aus frühen Jahren: zum Beispiel Hofers Pfeife, sein Gewehr oder seine berühmten grünen Hosenträger.

Angespornt von Freiheitsgesängen wie "Auf zum Schwur, Tirolerland" klettern wir stiegenaufwärts und begleiten unseren Ander, der seinerseits ebenfalls aufsteigt. Nämlich zum kaisertreuen Oberkommandanten der rebellischen Tiroler Landesverteidiger: Er ist "ein Mann von ungeheurer Körperstärke mit fleischvollen Schenkeln unter knapp knielanger Hose. Ein wallender Kinnbart ziert sein rotbackiges Bauerngesicht, seine Stimme tönt wohlklingend, sein Gang ist aufrecht", schreibt ein Zeitgenosse. Der "Kunsttisch" im Ferdinandeum präsentiert die Entwicklung des Hofer-Bildnisses durch Franz von Defregger und andere Historienmaler als Prototyp des Freiheitshelden. Danach setzen sich Künstler des 20. und 21. Jahrhunderts mit dem Phänomen "Hofer" kritisch-ironisch höchst kurios auseinander (Max Weiler, Paul Flora, Hans Crepaz und viele andere.), wie die Ausstellung und der im Studienverlag erschienene Katalog dokumentieren.

Ein Publikumsrenner

Noch vor seinem Tod wird der Sandwirt europaweit glorifiziert: "Seine Waffe - Gebet, sein Bundesgenosse - Gott!" Hofers Mander "haben das Herz halt am richtigen Fleck und nit in der Brieftasch'n". Am Berg Isel wird 1893 das Andreas-Hofer-Denkmal errichtet, das Riesenrundgemälde der "Dritten Schlacht am Berg Isel" in Innsbruck erweist sich als Publikumsrenner. 1949 wird das Andreas-Hofer-Lied endlich zur Tiroler Nationalhymne erhoben (Dokumente, Zeichnungen, Fotos und Modelle berichten). Die Erzählungen, Dramen und Gedichten, die sich im 19. Jahrhundert mit Andreas Hofer und seiner sensationellen Geschichte auseinandersetzen, sind kaum übersehbar. Doch der Freiheitsheld wird auch politisch verheizt: Einmal ist er Märtyrer, dann wieder Getreuer des Kaisers, auch edler Blut-und-Boden-Kämpfer ist er; viel später mutiert er zu einer Art Partisanen-Chef. Da feiert man ihn eher weniger öffentlich.

Kitsch und Kommerz

Das Tiroler Landesmuseum bemüht sich schon früh, "Reliquien" des Tiroler Rebellen zu erwerben und leistet damit einen wesentlichen Beitrag zu Hofers "Mystifizierung". Postkarten, Bildchen, Hofers Barthaare mit Echtheits-Zertifikat, eine Hofer-Reliquie, gebrannt aus der Erde des Iselberges, Tiroler-Lieder für die "reifere Jugend", Straßenschilder oder Shirts mit seinem Namen sind zu bestaunen. Vor allem Wirtschaft und Fremdenverkehr bedienen sich kräftig am Tiroler Volkshelden: Im Andreas-Hofer-Stüberl, zum Beispiel, prostet man einander mit "Andreas-Hofer-Bier" zu, bevor man sich als eingefleischter Patriot im eingebauten Museumskino herzzerreißenden Ausschnitten aus Hofer-Filmen und -Theaterstücken der "Freiheit des Adlers" hingibt, die zweite "Andreas-Hofer-Wurstsemmel" ohne Reue verputzt und kauend nach der "Andreas-Hofer-Kugel" mit Schokoglasur schielt.

Hofer Wanted

Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum

6020 Innsbruck, Museumstraße 15

bis 15. November, täglich außer Montag 9-18 Uhr

www.tiroler-landesmuseen.at

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