Sturz aus dem Luftschloss

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Wiener Festwochen: Jubel um Ibsens "Baumeister Solness".

Wenn sich einer, der vom Baugerüst stürzt, den Schädel zertrümmert, nimmt das nicht Wunder, wohl aber, wenn einer, der von einem tiefen Fall nur träumt, mit blutiger Nase erwacht. Regisseur Thomas Ostermeier verpasst Henrik Ibsens "Baumeister Solness" im Wiener Akademietheater diesen eher surrealistischen als plausiblen Schluss.

Ibsens Spätwerk enthält die für ihn so typischen, großteils zeitlos aktuellen Elemente: verdrängte Schuld, Verlust von Religiosität, Angst vor der nächsten Generation, Lebenslügen, eine vertrocknete Ehe. Vor zehn Jahren hat der Baumeister Halvard Solness in schwindelnder Höhe den Kranz auf einen neu erbauten Kirchturm geheftet, was ihm die Schwärmerei der jungen Hilde Wangel eingetragen hat, die nun unvermittelt in sein Leben einbricht. Vergangenes bricht auf: der Tod der Solness-Söhne im Kindesalter, der Brand, der die Katastrophe verursacht, zugleich aber die Karriere des Baulöwen ermöglicht hat, das Ausschalten des Konkurrenten Brovik, dessen Sohn nun für Solness zur Bedrohung wird.

Für Hilde, die mit ihm "Luftschlösser" bauen will, steigt Solness, der längst nicht mehr Kirchen, sondern nur noch Menschenhäuser errichtet, noch einmal mit dem Kranz auf einen neuen Turm, erreicht auch die Spitze, stürzt dann aber - Unfall oder Selbstmord? - in den Tod. Ostermeiers Schluss will offenbar aussagen, dass der wahre Albtraum - das freudlose Leben im Ehekäfig - weiter geht. Mit dieser unnötigen Veränderung stürzt leider die bis dahin packende Inszenierung auf ein etwas niedrigeres Niveau.

Die sich fast ständig bewegende Drehbühne und das vitale Spiel der Darsteller lassen trotz des Mangels an "Action" nie Langeweile aufkommen. In einer sehr gelungenen modernen Ausstattung (Bühnenbild: Jan Pappelbaum, Kostüme: Anja Maier) entfalten vor allem Gert Voss (Solness) und Kirsten Dene (Aline), zwei Akteure, die alle Gefühlsregungen beherrschen, große Wirkung. Dorothee Hartinger (Hilde) kommt eine Spur zu burschikos daher, Sabine Haupt (Katja Fosli) karikiert das Schmachten nach Solness. Urs Hefti (Doktor Herdal), Branko Samarovski (Brovik) und Markus Gertken (Ragnar) machen ihre Sache gut.

Nach zwei faszinierenden Stunden ohne Pause jubelte das Publikum - trotz des nicht alle überzeugenden Schlusses - dem ganzen Ensemble lebhaft zu.

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