Testosteron: Das Molekül der Männlichkeit
Die gehäuften Frauenmorde in Österreich werden oft durch einen giftigen Mix patriarchaler Prägungen erklärt. Doch wenn Männer gewalttätig werden, gibt es stets einen weiteren Verdächtigen: Testosteron.
Die gehäuften Frauenmorde in Österreich werden oft durch einen giftigen Mix patriarchaler Prägungen erklärt. Doch wenn Männer gewalttätig werden, gibt es stets einen weiteren Verdächtigen: Testosteron.
Dass man beim Lauf der Weltgeschichte auch an die biologischen Abläufe im menschlichen Körper denkt, ist bislang eher ungewöhnlich. Yuval Noah Harari gehört zu jenen Geisteswissenschaftlern, die da gar keine Berührungsängste zeigen. Aus biochemischer Sicht sei Glück nur ein Aufflackern bestimmter Botenstoffe im Gehirn, schreibt der Historiker in seinem Bestseller "Kurze Geschichte der Menschheit"(2013).
Insofern sei zu bezweifeln, ob die Menschheit über die Jahrhunderte - angesichts aller Fortschritte - tatsächlich auch glücklicher geworden ist. Denn die Biologie des Gehirns sei genetisch weitgehend vorbestimmt und darauf programmiert, trotz aller Schwankungen ein Gleichgewicht zu bewahren. So habe die Französische Revolution zwar gravierende Umwälzungen gebracht, das Glücksempfinden der Franzosen aber kaum verändert, meint Harari: "Wem die genetische Lotterie ein sonniges Gemüt zugelost hatte, der war nach der Revolution genauso zufrieden wie vorher. Und wer eine depressive Biochemie mitbekommen hatte, der meckerte mit derselben Verbitterung über Robespierre und Napoleon wie zuvor über Ludwig XVI. und Marie Antoinette."
Revolutionäre Umtriebe
Auch Karin Kneissl hat Revolutionen beleuchtet. Und auch sie interessiert sich für die Wechselwirkung von Weltgeschichte und Körperlichkeit, genauer gesagt Männlichkeit: In ihrem Buch "Testosteron macht Politik" (2012) ging die heutige Außenministerin der Beobachtung nach, dass es vor allem junge Männer waren, die an vorderster Front gewaltsamer Aufstände gestanden sind -von der Französischen Revolution über die bürgerlichen Revolutionen von 1848 bis zum Arabischen Frühling 2011, bei dem die übermütigen Männer in Kairo eine bemerkenswerte Parole skandierten: "Wir haben unsere Freiheit wieder, wir können jetzt heiraten!"
Die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Motive für solche Volksaufstände seien hier stets in Verbindung mit einem biologischen Faktor zu sehen, so Kneissl: der "männlichen Energie" des Testosteron. Das wichtigste männliche Geschlechtshormon gilt als Treibstoff für den Sexualtrieb, aber auch für dominante, riskante und aggressive Verhaltensweisen. Männer könnten aufgrund ihres Hormonhaushalts eher dazu neigen, gesellschaftliche Umbrüche zu initiieren, lautet die These von Kneissl.