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Das Theater als Anstalt

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Auch die Tatsache, daß das neue Stück „Raststätte“, das am Akademietheater zur Aufführung gelangt, nach dem Urteil der meisten Kritiker langweilig ist, ändert nichts daran, daß die Aufführung dieses neuesten Machwerkes von Elfriede Jelinek einen Skandal und Tiefpunkt der Theaterpolitik Claus Peymanns darstellt. Der Umstand, daß sich die Autorin in der Rolle der Moralistin gefällt, um umso ungehemmter provozieren zu können, tut der Unmoral dieses Werkes keinen Abbruch. Auch die Tatsache, daß das von Peymann als „Lemuren“ beschimpfte Publikum bereits zu abgestumpft ist, um mit einem handfesten Theaterskandal, wie wir ihn bald nur mehr aus der Geschichte kennen, zu reagieren, bedeutet nicht, daß die Sache( um die es hier geht und die von Jelinek und Peymann angerichtet wurde, weniger arg ist. Was in einem Keller- und Experimentiertheater allenfalls noch angängig wäre und unter dem Banner der Freiheit der Kunst, die für alle Verletzungen des guten Geschmackes bemüht wird, passieren könnte, darf und soll auf einem Staatstheater, das ein Kulturgut zu pflegen und Maßstäbe zu setzen hat, keinen Platz finden.

Es ist von symptomatischem Wert, beziehungsweise Unwert, daß das Theater, das Schiller noch als „moralische Anstalt“ verstand, im übertragenen und wörtlichen Sinn zu einer Bedürfnisanstalt erniedrigt wird. Darf es einen wundem, wenn die Verrohung der Sprache und Sitten um sich greift, wenn sie von einem Haus, das als deutsches Nationaltheater galt und für Generationen eine Art Weihestätte war, gefördert und in die Gesellschaft getragen wird? Die Verantwortlichen sollten die Geduld des Publikums, das ja auch aus Wählern besteht, nicht überstrapazieren, wenn man nicht Gefahr laufen will, durch weitere Entscheidungen der so Provozierten noch unangenehmere Überraschungen als bisher zu erleben.

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