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Ein aushäusiges Volk

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Endlich habe ich mein Kind gefunden” sagte der berühmte Anton Kuh, als ihm im „Grünen Anker”, zu dessen Stammgästen übrigens Kaiser Karl gehört hatte, der neue Kellnerlehrling Kalbl vorgestellt wurde. Die Anekdote stammt aus dem neuen Wiener Kaffee- und Gasthausbuch von Bartel Sinhuber. Es glänzt nicht nur mit einem reichhaltigen Bildmaterial. Die historischen Fotos zeigen auch viele heute mehr oder weniger vergessene Lokale und sind durchwegs zuordenbar, so daß „Zu Gast im alten Wien”, nicht zuletzt auch dank einem umfangreichen Lokal- und Personenregister, ein Nachschlagewerk zur Geschichte der Wiener Gastronomie und Kaffeehauskultur darstellt.

Nicht zuletzt ist es ein Lesebuch zur Wiener Kulturgeschichte und auch deshalb interessant, weil der Autor seinen Blick nicht, wie so viele, auf das Kaffeehaus fokussiert. Das Kaffeehaus war zwar ein sehr wichtiger, aber doch nur einer jener Orte, die von den

Wienern aufgesucht wurden, wenn sie nicht arbeiten mußten und nicht zuhause bleiben wollten: Die Wiener waren jahrhundertelang ein recht „aushäusiger” Menschenschlag.

Dabei war die Wiener Hotellerie aber ebenfalls jahrhundertelang ein Graus für die Gäste: Unbequem, zurückgeblieben, ohne Komfort. Die Klagen darüber dauerten ungefähr ein halbes Jahrtausend. Dann aber, nach der Schleifung der Bastionen, „explodierte” der kommerzielle Zweig der Wiener Gastlichkeit. Über die eleganten Cafes gibt es massenhaft Literatur. Sinhubers Verdienst ist es, ein Buch über die Orte geschrieben zu haben, an denen der einfache Wiener seinen Wein trank, seine Stelze aß und seinen Grant auf jene ausließ, von denen er sich drangsaliert fühlte.

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