Über den Dächern von Linz

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Vögel stehen im Mittelpunkt des diesjährigen "Höhenrausch" in Linz. Künstler und Zoologen verbinden Kunsterfahrung, Stadtbesichtigung und Naturbeobachtung und schaffen so neue Perspektiven.

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Vögel stehen im Mittelpunkt des diesjährigen "Höhenrausch" in Linz. Künstler und Zoologen verbinden Kunsterfahrung, Stadtbesichtigung und Naturbeobachtung und schaffen so neue Perspektiven.

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Im Jahr der Kulturhauptstadt 2009 wurde in Linz die Idee geboren, mittels einer Dachkonstruktion oberhalb der zentralen Ursulinenkirche eine völlig neue Perspektive auf die Donaustadt zu schaffen - der Höhenrausch wurde aus der Taufe gehoben! Mittlerweile hat sich dieser luftige Steig zu einer Bühne entwickelt, die heuer von bunten Vögeln und anderen Flugkörpern bespielt wird.

Nicht umsonst erzielen Dachgeschosswohnungen schwindelnde Preise, ein Blick von oben auf Kirchtürme, Hinterhöfe und versteckte Plätze ist nur aus höheren Sphären zu erheischen. Etwas günstiger bekommen diesen Ausguck Besucher des Höhenrausches in Linz geliefert: Oberhalb eines Einkaufszentrums und der Ursulinenkirche - welch urbane Komposition - erstrecken sich die "open space" genannte Stahlkonstruktion, mäandernde Holzsteige und so manche kunstvolle Überraschung.

Sphäre der Papageien

Beim Aufstieg passiert man eine holzgezimmerte Windkanal-Installation von Henrik Håkansson und kann Fernando Ortegas' Video eines tief schlafenden Kolibri betrachten. Fantastisch die Arbeit von Marcus Coates - er hat den Klang von Vogelstimmen extrem verlangsamt und Freunde dabei gefilmt, wie sie diese Stimmen imitieren. Wiederum beschleunigt ergeben Tonspur und Filmaufnahme eine groteske Umkehr von Tier und Mensch. Danach weitet sich der "open space" - in einer riesigen Voliere tummeln sich 21 Graupapageien zwischen Pflanzen und eigens konstruierten Instrumenten. Die Gruppe "alien productions" entlockt den Vögeln Töne, die sphärische Stimmung und Dichte über den Dächern erzeugen. Der Rundweg aus dicken Brettern führt vorbei an einem Kettenkarussell, das mit zeitgenössischer Musik bespielt wird und einem Querschnitt der Vogelhäuschen - Architektur aus aller Welt. Der "Höhepunkt" des Rausches verlangt Muskelkraft und Schwindelfreiheit ab - ein Vogelturm ist das urbane Pendant zur Aussichtswarte Moldaublick im Mühlviertel. Hier treffen Stadt und Land aufeinander, der Turm ist Vogelarten gewidmet, die sich in engen, urbanen Häuserschluchten wie zu Hause fühlen. Wer das Außergewöhnliche liebt, wagt einen Gang über die schmale Brücke zum Glockenturm der Ursulinenkirche: Der Weitblick über Industrieanlagen, geheime Gärten und Karrees der Innenstadt ist einzigartig; anstelle der eingeschmolzenen Glocken zwitschert diesen Sommer eine Kuckucksuhr.

Herzstück und Bijou sind die "Wunderkammern" des Amerikaners Mark Dion. Auf vier Stationen wirft der Künstler einen ironischen Blick auf Beziehungen zwischen Mensch und Tier. "Library For The Birds" ist eine raumfüllende Voliere mit einem Baum voller Bücher und Bilder ob Vögel ebenso wissbegierig sind wie der homo sapiens?

Mitbringsel erwünscht

Im nächsten Raum prangen leuchtfarbige Flugkörper auf dunklem Grund; vom Kinderdrachen über Fischadler und Flughund bis zur Atombombe ist wirklich alles vertreten. In barocken Schaukästen des Stifts Kremsmünster hat Dion hunderte Exponate zur Faszination des Fliegens zusammengetragen, querbeet und trotzdem mit exakter Struktur. An zukünftige Besucher ergeht nunmehr ein Appell: Bringen Sie alles mit, was Ihnen zum Thema Fliegen einfällt - der Künstler hat einen Saal für diese Mitbringsel frei gehalten!

Hörgenüsse besonderer Art warten am Ende des Ausflugs: Annika Kahrs bietet ihre Interpretation der Vogelpredigt des Franz von Assisi. Auf einer Videowall kann man der Klaviervertonung Franz Liszts lauschen und wird eins mit den Vögeln dieser Welt - denn auch sie lauschen im Film, um das Klavier drapiert, andächtig.

2016 wollen die Veranstalter noch ein Schäuferl nachlegen und in allerhöchste Dimensionen vorstoßen: Engel und mythologische Wesen sind das große Thema über den Dächern von Linz - man darf gespannt sein, ob die Besucher mit Flügeln versehen Posaune blasen oder, völlig von irdischer Last befreit, ins ewige Blau abheben dürfen.

Höhenrausch Linz

bis 18. Oktober, tägl., 10-20.30 Uhr

www.hoehenrausch.at

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