Verewigte Momente

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Inge Morath, eine Meisterin des Porträts mit Atmosphäre.

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Inge Morath, eine Meisterin des Porträts mit Atmosphäre.

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Die Spannung zwischen der dargestellten Person und der des Künstlers entscheide über das Ergebnis einer Porträtfotografie, schreibt Arthur Miller im Vorwort zum neuen Band mit den Portraits seiner Frau Inge Morath. Zwischen den Extremen der Verzerrung und dem völligen Zu-rücktreten des Porträtisten, das "ein amorphes Bild ohne erkennbaren Stil" hinterlasse, liege der Weg, und die Porträtaufnahmen seiner Frau hätten eine große Ausgewogenheit zwischen diesen beiden Zugängen, was schon ein flüchtiger Blick verrate. Genau dies ist auch tatsächlich der Fall.

Doch Inge Moraths Bilder verraten noch sehr viel mehr. Sie ist auch eine Meisterin im Einfangen von Atmosphäre. Sie porträtiert nicht nur den Menschen, sondern in ihren besten Arbeiten mit ihm, dem Menschen, immer auch einen unwiederbringlichen Augenblick. Eine wohl völlig unbedeutende Situation kann dabei, durch Stimmung emotional aufgeladen, zum historischen Augenblick werden: Igor Stravinsky geht, die Hände halb in den Taschen seines Wintermantels, mit einem offenbar auf ihn einredenden Mr. Fromm auf einer New Yorker Straße einher. Niemand wüßte sonst, daß Stravinsky 1959 mit Mr. Fromm in New York auf der Straße ging - das Bild von Inge Morath erhebt das Nichtereignis, wohl zur Freude der Kinder des Mr. Fromm, in den Rang eines historischen Dokuments. Eingefroren für immer Pablo Neruda mit einer ihn nicht beachtenden Frau dahinter, Ilja Ehrenburg mit Arthur Miller, Kaffeehäferln und Tortentellern in Moskau, Heinrich Böll in Köln mit der unvermeidlichen Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger mißgünstig in die Ferne blickend, und endlich erfahren wir, wie der große Henri Cartier-Bresson 1961 ausgesehen hat. So wird das Bild zur Zeitmaschine.

Inge Morath - Portraits Mit Texten von Arthur Miller, Anna Farova und Robert Delpire, Otto Müller Verlag, Salzburg 1999, 128 Seiten, Ln., öS 488,-/e 35,53

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