Volksschule als Forum

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Das 25. Internationale Wittgenstein-Symposium in Kirchberg am Wechsel, wo der Philosoph als Volksschullehrer tätig war.

Sind alle Menschen Personen? Selbstverständlich, sagen die einen und argumentieren, dass Menschen einer bestimmten biologischen Gattung angehören, durch die Zeit mit sich selbst identisch sind und einen einfachen, nicht reduzierbaren Personenkern aufweisen. Die anderen behaupten: Person-Sein knüpft an Vermögen wie Bewusstsein, Verstand, Reflexion an, und nicht alle Menschen weisen diese Zustände lebenslang auf. Gibt es außer Menschen noch andere Personen? Wann fängt ein Mensch an zu existieren?

Fragen nach dem Personensta-tus betreffen die Philosophie als Grundlagenwissenschaft. Sie nahm die Rolle der "Gastgeberin" wahr und lud in dieser aktuellen Thematik zu einem interdisziplinären Dialog. Das 25. Internationale Wittgenstein-Symposium in Kirchberg am Wechsel bildete das Forum für namhafte Mediziner, Juristen, Psychologen und Philosophen aus 25 Nationen, um ihre Standpunkte zu erörtern. Ganz im Sinne des Namensstifters, denn Ludwig Wittgenstein, der Ingenieur, Mathematiker und Philosoph, bekämpfte einseitige Betrachtungsweisen und durchbrach festgefahrene Denkweisen.

Die Debatten waren von der Bandbreite philosophischer Strömungen gekennzeichnet. Der englische Philosoph Jonathan Lowe bezeichnete Personen als individuelle Substanzen, mit Rationalität und freiem Willen ausgestattet, und nicht reduzierbar auf eine bloße Kette von Ereignisabläufen. Ins selbe Horn stieß Günther Rager, Fachmann für Anatomie und Embryologie aus der Schweiz, wenn er sich gegen den Vorstoß der Neurobiologen zur Wehr setzte, das Bewusstsein und damit die mentalen Zustände auf neuronale Prozesse zu reduzieren. Der Philosoph und Psychologe Henrik Walter aus Ulm plädierte für die kognitiven Neurowissenschaften, die philosophische Probleme auf eine direkte Weise darstellten, auswerteten und auf eine Aufgabe der philosophischen Ideen drängten, sofern diese inkonsistent mit dem heutigen Wissensstand über das Gehirn seien.

Breiten Raum in eigenen Workshops wurde den juridischen Aspekten und der Menschenwürde eingeräumt. Aktuelle Beiträge zur Wittgensteinforschung rundeten das reichhaltige Vortragsangebot ab. Angeregte Diskussionen zwischen führenden Gelehrten, prominenten Vertretern, wie dem derzeitigen deutschen Kulturminister Julian Nida-Rümelin, auf der einen und dem wissenschaftlichen Nachwuchs und Studenten auf der anderen Seite. Ebenfalls erwähnenswert: der hohe Frauenanteil unter den Referenten und Teilnehmern. Die Volksschule funktionierte reibungslos als Konferenzzentrum. Zum 25. Jubiläum ist eine Broschüre erschienen, die der Wittgensteinlandschaft in Niederösterreich gewidmet ist. Einen Besuch wert sind die beiden Ausstellungen im Gemeindehaus Kirchberg und im Wittgensteinhaus in Trattenbach, die einen Überblick über die Tätigkeit Ludwig Wittgensteins als Volksschullehrer zwischen 1920 und 1926 geben.

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